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  • Wohnungslose in Berlin

Mehr als nur diskutieren

Zehntausende wohnungslose Berliner*innen brauchen konkrete Hilfe

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir wollen nicht mehr nur diskutieren«, erklärt der Arbeitskreis Wohnungsnot. Kurz vor Beginn der fünften Strategiekonferenz gegen Wohnungslosigkeit am Montagabend vermisst man bei dem Zusammenschluss aus Initiativen und Verbänden die konkrete Umsetzung bereits beschlossener Vorhaben. Der Kampf gegen den massiven und sich im Zuge der Coronakrise weiter ausbreitenden Mangel an Wohnraum hätte schon längst aufgenommen werden können, heißt es.

Stattdessen sei nicht mehr viel zu hören vom »Masterplan Wohnungslosigkeit«, der auf der letzten Konferenz im September 2020 verkündet wurde. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hatte dort für einen Paradigmenwechsel plädiert: Man müsse in Berlin wegkommen von einer passiven Armutsverwaltung, hin zu einem aktiven Beenden der Wohnungsnot. Damit rennt die Sozialsenatorin bei Initiativen wie dem AK Wohnungsnot offene Türen ein. Diese kritisieren seit Jahren fehlendes Engagement vor allem bei einigen Berliner Bezirksverwaltungen, die für von Wohnungslosigkeit betroffene oder davon bedrohte Menschen laut dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) zuständig sind.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund läuft seit vergangenem Jahr der Pilotbetrieb für eine Gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung von Wohnungslosen. Mit dem GStU abgekürzten Instrument sollen berlinweit einheitliche Qualitätsstandards für die Unterbringung zum Einsatz kommen und kontrollierbar werden. Ferner soll mit einer bezirksübergreifenden Datenbank die Unterbringung bedarfsgerecht und zügig ermöglicht werden. »Wildwuchs« bei Betreibern von Unterkünften könne man so entgegenwirken und vor allem den in immer stärkerem Maß betroffenen Familien angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellen, so Senatorin Breitenbach.

Den Hilfsorganisationen in der Hauptstadt ist das aber nicht genug. Sie erinnern an die Umsetzung der 2019 eingeführten Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik, die nach über 20 Jahren reformiert worden waren. Insbesondere »der ungehinderte Zugang für alle EU-Bürger*innen zu einer Unterbringung« müsse umgesetzt werden - der Anteil an obdachlosen EU-Bürger*innen wächst immer weiter, obwohl sie einen Rechtanspruch auf Wohnraum haben. Auch die angekündigten Fachstellen für Wohnungsnotfälle sowie ein umfangreiches Präventionskonzept zum Erhalt von Wohnraum seien bis heute nicht vollumfänglich umgesetzt, heißt es weiter. Und weil Hilfen nicht angemessen ausgezahlt werden, seien sowohl betroffene Menschen als auch Krisen- und Clearinghäuser existenziell bedroht.

Nicht zuletzt müssten die positiven Erfahrungen aus der letzten Kältehilfesaison sofort in die Planung für die kommende Saison einfließen, so die rund um die Uhr geöffnete Einrichtungen erhalten bleiben. »Der Tagestreff Mitte im Hofbräuhaus hat gezeigt, dass ein Tagestreff am Alexanderplatz dringend gebraucht wird«, so der AK Wohnungsnot.

Sozialsenatorin Breitenbach will derweil auf der Strategiekonferenz Bilanz ziehen und vorankommen mit einem »Pakt der Stadtgesellschaft« für eine zukunftsfähige Berliner Wohnungslosenpolitik. An diesem sollen sich Senat, Bezirke, die demokratischen Parteien, die Verbände und sozialen Träger des Hilfesystems gleichermaßen beteiligen. Vielleicht hätte man in diesem Sinne auch Betroffenen den Zugang zur Konferenz, die online stattfindet, ermöglichen sollen. Und wie es um fehlenden Wohnraum gehen sollen, ohne dass ein*e Vertreterin der für Wohnen zuständigen Senatsverwaltung eingeladen ist, kann sich auch der AK Wohnungsnot nicht erklären.

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