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Gut gelaunt in den Endspurt
Deutsche Wohnen & Co enteignen für Anerkennung der Unterschriften von Berlinern ohne deutschen Pass
»Fast 22 Prozent der Berliner*innen haben praktisch kein Wahlrecht, weil sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben«, erklärt Ben Miller, selbst US-Amerikaner. »Und genau diese Personen machen die allerschlechtesten Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt«, sagt Miller. Rosa Silva ergänzt: »Viele von uns sind nicht berechtigt, bei diesem Volksbegehren mitzuentscheiden, obwohl wir von der Wohnungskrise besonders stark betroffen sind.«
Miller und Silva sind Sprecher*innen von Right to the City for all (zu Deutsch: Recht auf die Stadt für alle), einer Arbeitsgruppe der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Die Arbeitsgruppe hat gemeinsam mit mehr als einem Dutzend anderer Initiativen eine Kundgebung auf dem Tempelhofer Feld organisiert, um für Wahlrecht, Wohnrecht und das Recht auf Stadt zu demonstrieren. Sie fordert volles Wahlrecht für alle, die in Berlin ihren Lebensmittelpunkt haben. »Wir gestalten so viel von der Stadt mit, wir arbeiten, wir kämpfen füreinander, wir tragen zur Kultur bei«, erklärt Silva. »Aber wir haben leider nicht das Recht zu entscheiden, wer unsere Politiker*innen sind. Das muss sich ändern.« Eine Möglichkeit wäre, das Wahlrecht in der Berliner Verfassung zu ändern.
Das Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne wird auch von vielen Berliner*innen ohne deutschen Pass unterstützt, obwohl ihre Unterschrift nicht gültig ist. Für die Initiative ist das ein Missstand. Zuletzt wurden etwa 30 Prozent der bereits geprüften Unterschriften für ungültig erklärt, zumeist wegen der Staatsbürgerschaft.
»Meine Unterschrift zählt nur, wenn man mir etwas verkaufen möchte«, beschwert sich eine Sprecherin des Korea-Verbands. Sie findet das »total ungerecht«, da sie seit 20 Jahren in Berlin lebe und Steuern zahle.
Auch eine Rednerin von der Mietergemeinschaft Kotti & Co beklagt den Ausschluss von Migrant*innen von der politischen Teilhabe. »Wir müssen Miete zahlen, dürfen aber nicht mitentscheiden, was mit unseren Wohnungen passiert, weil wir keinen deutschen Pass haben«, sagt sie. Und: »Das ist Rassismus!« Der Neuköllner Linke-Politiker Ferat Kocak macht mit einer eher persönlich gehaltenen Rede auf die Diskriminierung von Nichtdeutschen auf dem Wohnungsmarkt aufmerksam. Er schildert, wie Arbeitsmigrant*innen einst in den ungeliebten Randbezirken des damaligen Westberlin angesiedelt wurden und nun von dort wieder vertrieben werden sollen. »Auch mein Opa hat kein Wahlrecht und kein Stimmrecht, obwohl er länger in Berlin lebt, als es Deutsche Wohnen und Vonovia zusammen gibt«, stellt Kocak sarkastisch fest. Die »Lebensfreude in den Kiezen« solle nicht den Profiteuren weichen müssen, erklärt er und stellt am Beispiel des Kampfes um das Tempelhofer Feld fest: »Wenn wir uns zusammentun, können wir etwas gewinnen, wovon auch zukünftige Generationen profitieren.«
Was als Protestkundgebung angekündigt war, wirkt eher wie ein Happening. Einige Hundert, meist junge Menschen sitzen oder liegen entspannt in der Sonne und lauschen den zahlreichen Reden, die von einer gut gelaunten Brasilianerin souverän moderiert werden. Zwischendurch sorgt Musik für ausgelassene Stimmung. Dutzende nutzen die selten gewordene Gelegenheit zu tanzen, aber coronagerecht mit Abstand, so dass die Polizei keinen Anlass zum Eingreifen sieht. Am Rand werden natürlich weiter Unterschriften gesammelt.
Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen führt ein Volksbegehren für die Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin durch. Dabei sollen mehr als 240 000 Wohnungen vergesellschaftet werden. Noch bis zum 25. Juni ist Zeit, mindestens 175 000 gültige Unterschriften zu sammeln, damit bei den Wahlen am 26. September zugleich ein Volksentscheid stattfinden kann. Fast 200 000 Unterschriften sind beisammen, von denen aber viele schon als ungültig eingestuft wurden. Daher mobilisiert die Initiative jetzt zum »Endspurt«. Ben Miller sagt: »Jetzt ist die Zeit, mitzumachen. Es macht Spaß, es ist coronasicher, man kann es draußen machen, und wir brauchen jetzt alle Kräfte, in der ganzen Stadt.«
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