Die Hilfe zur Selbsttötung ist weiterhin keine ärztliche Aufgabe
124. Ärztetag: Verbot der Suizidhilfe aus Berufsordnung gestrichen
Der Paragraf 16 Satz 3 der Berufsordnung wird auf Beschluss des 124. Ärztetages aufgehoben. Darin hieß es bislang: «Sie [Ärztinnen und Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.» Es entspreche ganz überwiegen der Auffassung, dass § 16 Satz 3 der (Muster-)Berufsordnung in seiner bisherigen Fassung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten werden könne«, begründete das Ärzteparlament seine Entscheidung.
Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom Februar 2020 den § 217 Strafgesetzbuch, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und damit für nichtig erklärt. Es leitete in seiner Entscheidung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Ausdruck persönlicher Autonomie ein »Recht auf selbstbestimmtes Sterben« ab. Das ärztliche Berufsrecht war nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde und wurde nur insofern in Bezug genommen, als es der Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten »weitere Grenzen jenseits oder gar entgegen der individuellen Gewissensentscheidung des einzelnen Arztes« setze.
Die (Muster-)Berufsordnung (www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung -aerzte/muster-berufsordnung/) enthält die berufsrechtlichen und ethischen Grundlagen des ärztlichen Berufs. Sie dient den Ärztekammern als Muster für ihre Berufsordnungen und trägt damit zu einer bundesweit möglichst einheitlichen Entwicklung des Berufsrechts bei.
Die Berufsordnung der jeweiligen Ärztekammer regelt die für den einzelnen Arzt geltenden Pflichten gegenüber Patienten, den Berufskollegen und der Ärztekammer. Es handelt sich bei der Berufsordnung um Satzungsrecht, das auf Grundlage des Heilberufe- und Kammergesetzes des jeweiligen Bundeslandes von der Ärztekammer erlassen wird. dpa/nd
Das Bundesverfassungsgericht führte damals weiter aus: »Die in den Berufsordnungen der meisten Landesärztekammern festgeschriebenen berufsrechtlichen Verbote ärztlicher Suizidhilfe unterstellen die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht nur geografischen Zufälligkeiten, sondern wirken zumindest faktisch handlungsleitend. Der Zugang zu Möglichkeiten der assistierten Selbsttötung darf aber nicht davon abhängen, dass Ärzte sich bereit zeigen, ihr Handeln nicht am geschriebenen Recht auszurichten, sondern sich unter Berufung auf ihre eigene verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit eigenmächtig darüber hinwegsetzen. Solange diese Situation fortbesteht, schafft sie einen tatsächlichen Bedarf nach geschäftsmäßigen Angeboten der Suizidhilfe.« Diese Ausführungen des Gerichts war nun Anlass, die einschlägige Regelung der (Muster-)Berufsordnung zu überprüfen.
Die Streichung ändert nach Überzeugung des Ärztetages aber nichts daran, dass »ärztliches Handeln von einer lebens- und gesundheitsorientierten Zielrichtung geprägt ist«. Nach § 1 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung ist es Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken. Mithin zählt es nicht zu dem Aufgabenspektrum der Ärzteschaft, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.
Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Debatte im Bundestag über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe von Bedeutung. Es könne niemals Aufgabe der Ärzteschaft sein, für Nichterkrankte eine Indikation, Beratung oder gar Durchführung eines Sterbewunsches zu vollziehen. Die Ärzte forderten den Gesetzgeber auf, die Suizidprävention in Deutschland in den Fokus zu nehmen, zu unterstützen, auszubauen und zu verstetigen. dpa/nd
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