- Sport
- Naomi Osaka
Dauerpräsenz und Depressionen
Naomi Osaka, die Nummer zwei der Tenniswelt, zieht sich von den French Open zurück und offenbart psychische Probleme
Die French Open gingen am Dienstag im Stade Roland Garros weiter, als sei nichts geschehen. Am Vormittag, pünktlich um 11 Uhr, begannen auf den Plätzen die restlichen Erstrundenspiele - dabei ist die Tenniswelt seit Montagabend eine etwas andere. Mit dem Öffentlichmachen ihres Kampfes gegen Depressionen hat die Nummer zwei der Weltrangliste Naomi Osaka für Aufsehen und Anteilnahme gleichermaßen gesorgt und damit erneut die Frage aufgeworfen, ob Athletinnen und Athleten beim Leistungssport im Umgang mit Erwartungen und Druck genügend Unterstützung erfahren.
Drohung und Geldstrafe
Nachdem es tagelang viel Kritik an ihrem Medienboykott bei den French Open gegeben hatte, erfuhr die 23-jährige Japanerin, die sich am Montag vom Pariser Grand Slam zurückgezogen hatte, nun eine Welle der Unterstützung. »Es ist unglaublich mutig, dass Naomi Osaka die Wahrheit über ihren Kampf mit Depressionen enthüllt hat«, sagte die US-Tennisikone Billie Jean King, eine Kämpferin für Gleichberechtigung. »Im Moment ist es das Wichtigste, dass wir ihr den Raum und die Zeit geben, die sie braucht«, sagte King. »Ich wünschte, ich könnte sie einfach umarmen, weil ich weiß, wie es sich anfühlt«, sagte Superstar Serena Williams.
Osaka hatte am Montagabend in einem Statement via Twitter öffentlich gemacht, dass sie seit einigen Jahren mit langen Depressionsphasen zu kämpfen habe. Sie sei grundsätzlich eher eine introvertierte Person mit sozialen Ängsten und keine natürliche Rednerin, öffentlich zu sprechen falle ihr schwer. Deshalb seien ihr die obligatorischen Medientermine auch stets sehr schwergefallen. Und deshalb habe sie vor den French Open den Entschluss gefasst, in Paris keine Medientermine wahrzunehmen. Im Nachhinein war es wohl ein Fehler, dass Osaka erst jetzt die Hintergründe ihrer Entscheidung nannte. So hatte der Druck auf sie zuvor immer weiter zugenommen. Nachdem sie nach ihrem Erstrundensieg der Pressekonferenz ferngeblieben war, hatten sie die Veranstalter mit einer Geldstrafe in Höhe von 15 000 Dollar belegt. Zudem hatten die vier Grand-Slam-Turniere in einer gemeinsamen Erklärung für den Fall des fortgesetzten Presseboykotts mit einem Ausschluss von den French Open und der Sperre für die weiteren Grand Slams gedroht.
Fehleinschätzung und Fragen
Angesichts der nun publik gewordenen Probleme Osakas ist das sicherlich ein unwahrscheinliches Szenario. Jedoch hatte sie es offenbar auch versäumt, den Kontakt mit den Veranstaltern zu suchen. Dass dies für eine Lösung des Problems nicht wichtig wäre, sei Osakas Fehleinschätzung gewesen, schrieb die »New York Times« am Dienstag.
Die Frage ist nun, wie es mit Osaka weitergeht. Sie hatte sich zuletzt zum neuen Aushängeschild der Tour entwickelt. Sportlich erfolgreich, politisch und sozial engagiert und dank Werbemillionen die bestverdienende Sportlerin der Welt: Osaka war dauerpräsent. Nun will sie sich erst einmal aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Ob sie Ende Juni in Wimbledon antritt, ist fraglich. »Ich mache mir Sorgen um Naomi«, sagte Tennislegende Boris Becker bei Eurosport und fragt: »Kann sie den Beruf des Tennisprofis fortführen?«dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.