Gemeinwohl als Gewinn

Bürger*innen fordern Überwindung von Profitorientierung in der Pflege

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

»Pflege geht uns alle an. Alle Altersgruppen, Nationalitäten und Schichten«, sagt Barbara König (SPD), Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Pflege. Kein Projekt verkörpere das so gut, wie der Dialog Pflege 2030, ein groß angelegtes Format zur Bürger*innenbeteiligung, das am Mittwoch mit der Übergabe eines Bürger*innengutachtens an Pflegesenatorin Dilek Kalayci (SPD) zum Abschluss gekommen ist.

Helmut Gebert ist einer der Beteiligten aus der Zivilgesellschaft am Pflegedialog. Zusammen mit 31 anderen wurde er zufällig ausgewählt, um die Umfrageergebnisse zu bearbeiten und Empfehlungen für die Landespolitik zu entwickeln. »Nur 37 Prozent der Befragten wollen in ein Pflegeheim gehen«, sagt Gebert. Insgesamt seien über 5000 Bürger*innen in Umfragen, Konferenzen und Workshops am Projekt beteiligt gewesen.

Eines der wichtigsten Anliegen ist dabei die Überwindung von Gewinnorientierung in der Pflege, berichtet Gebert. »Die Pflege ist dem Allgemeinwohl verpflichtet und darf nicht am Profit ausgerichtet sein.« Es sei Teil der Menschenwürde, bis zum Tod würdevoll gepflegt zu werden. Um dies zu gewährleisten, brauche es auch einen höheren Personalschlüssel im Pflegebereich.

Kritik an Profitdenken und Bürokratie

Zoe-Melina Kerber ist ebenfalls in der Planungszelle und zählt weitere wichtige Empfehlungen auf: »Die bürokratischen Prozesse, insbesondere die Beantragung von Pflegeleistungen und Hilfsmitteln, sind viel zu langwierig. Bei Beratungen muss schneller eine gute Unterstützung gefunden werden.« Auch sei der Wunsch vieler Pflegebedürftiger, in der Nachbarschaft wohnen bleiben zu können. Kerber selbst beschäftigt das Thema Pflege auch aus familiären Gründen: »Ich habe miterlebt, wie mein Opa vor seinem Tod pflegebedürftig wurde und meine Oma hat das sehr mitgenommen. Pflege darf nicht nur an den Angehörigen hängen bleiben.«

Staatssekretärin König findet, die Landespolitik sei auf dem richtigen Weg. In Berlin seien etwa die Hälfte aller Pflegeheime in kommunaler oder in der Hand der Wohlfahrtsverbände und dementsprechend nicht kommerziell betrieben. Das Land versuche außerdem durch eine Tochterfirma der landeseigenen Vivantes GmbH, mehr Pflegeheime zu übernehmen und zu betreiben. »Wir wollen eine Gemeinwohlorientierung bei den Pflegeheimen in Berlin«, so König.

Diese Gemeinwohlorientierung vermissen die Beschäftigten von Charité, Vivantes und den Vivantes-Tochterfirmen in den landeseigenen Unternehmen im Gesundheitssektor. Sie haben sich in der Berliner Krankenhausbewegung zusammengeschlossen, um in Folge der Pandemie tatsächliche Verbesserungen in den Kliniken zu erwirken. »Bei den landeseigenen kommunalen Klinken steht der Senat in der Verantwortung, etwas zu ändern«, sagt Gabi Heise, Krankenpflegerin und Betriebsrätin am Klinikum Neukölln.

Streik der Beschäftigten droht

Zeitgleich zur Abschlussveranstaltung des Pflegedialogs findet vor dem Vivantes-Klinikum in Neukölln eine Kundgebung statt, um die Forderungen der Krankenhausbewegung an die Politiker*innen zu übergeben. Die Beschäftigten hatten im Mai ein Ultimatum an die Landespolitik gestellt. Wenn ihre Forderungen nicht innerhalb von 100 Tagen erfüllt werden, sind sie bereit, zu streiken. Mehr als 8.000 Pflegebeschäftigte in landeseigenen Unternehmen haben die Forderungen nach verbindlichen Regeln zur Personalbesetzung in allen Bereichen, mehr Entlastung und Bezahlung nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) für alle Beschäftigten in den Vivantes-Tochterfirmen unterschrieben. »Wir haben Kolleg*innen, die für dieselbe Arbeit 100 Euro weniger kriegen und weniger Urlaub haben«, so Heise.

Rund 300 Menschen sind nach Schätzung der Pflegerin nach Neukölln gekommen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, die anwesenden Bezirkspolitiker*innen hätten allesamt ihre Unterstützung zu den Forderungen der Beschäftigten ausgedrückt. »Jetzt schauen wir mal, ob den Worten Taten folgen«, so das Fazit der Betriebsrätin.

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