- Politik
- Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Am ehesten Kenia
Bei der Wahl am Sonntag sind mehrere Szenarien denkbar. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit die Fortsetzung der Kenia-Koalition
Sachsen-Anhalt steht möglicherweise erneut vor einer schwierigen Regierungsbildung. Nach den neuesten Umfragen muss selbst die aktuelle Kenia-Koalition unter CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff mit SPD (zehn bis zwölf Prozent) und Grünen (neun bis zwölf Prozent) um eine Fortsetzung bangen. Zugleich könnte die derzeit nicht im Landtag vertretene FDP (sechs bis acht Prozent), falls sie stark genug wird, die Koalitionsoptionen in der Mitte erweitern. Eine Regierungsbeteiligung der Linken erscheint so gut wie ausgeschlossen. Zugleich schwebt weiter die Gefahr im Raum, die CDU (26 bis 29 Prozent) könnte ihren Grundsatz brechen, eine Zusammenarbeit mit der AfD (20 bis 26 Prozent) auszuschließen. »nd« gibt einen Überblick über die verschiedenen Optionen.
Kenia-Koalition
Am wahrscheinlichsten ist eine Fortsetzung der Kenia-Koalition. Zwar stand das Bündnis in den vergangenen fünf Jahren auf recht wackeligen Füßen und zuweilen sogar vor dem Zerfall, doch zuletzt gab es versöhnlichere Töne: Der Regierungschef lobte ausgerechnet die von Teilen seiner Fraktion verhassten Grünen. Diese hätten sich als pragmatisch und koalitionstreu erwiesen sowie anders als die SPD »hohe Disziplin an den Tag gelegt« und gewusst, »was machbar ist und was nicht«. Problem: Zwischen CDU und Grünen ist ein Kampf um das Umweltministerium entbrannt, beide Parteien beanspruchen das Ressort für sich.
Deutschland-Koalition
Falls die derzeit nicht im Landtag vertretene FDP stark genug wird, könnte sie mit der CDU und einem weiteren Partner eine Koalition bilden. Klar ist: Eine CDU, die sich auf ihrem Parteitag gegen »eine Verteufelung des Autos, neue Erschwernisse beim Eigenheimbau oder neue Einschränkungen für die konventionelle Forst- und Landwirtschaft« ausgesprochen hat, würde in diesem Falle am liebsten die Grünen loswerden. Aus Sicht der Christdemokraten dürfte also ein »Deutschland-Bündnis« mit Sozialdemokraten und Liberalen die beliebteste Option sein. Problem: Die SPD strebt, so ist es im Wahlprogramm vermerkt, ein »progressives Bündnis« an - würde also lieber mit Grünen und Linken zusammenarbeiten. Doch diese Option ist derzeit weit von Realisierbarkeit entfernt.
Jamaika-Koalition
Falls die SPD nicht mit CDU und FDP regieren will, könnten die Grünen wieder ins Spiel zurückkehren. Denn die wollen auf jeden Fall weiterregieren - die Frage ist eben nur, ob sie gelassen werden. Sollten die Sozialdemokraten eine Regierungsbeteiligung nicht fortsetzen und lieber in die Opposition gehen wollen, dann hätte die CDU in der politischen Mitte keine andere Möglichkeit mehr, als wieder auf die Grünen zuzugehen.
Schwarz-Blau
Zwar hat die CDU jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen - doch dass es die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt mit diesem Beschluss nicht immer ganz so genau nehmen, ist ebenso bekannt. Teile der Fraktion zeigten sich in der Vergangenheit mehr oder weniger offen für die Rechtsradikalen. Am deutlichsten offenbarte sich die Liebäugelei, als die Fraktionäre Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas eine Denkschrift veröffentlichten, in der sie »das Soziale mit dem Nationalen« zu versöhnen forderten. Dennoch: Die Hürde, eine solche Koalition tatsächlich einzugehen, ist sehr hoch und würde die Partei spalten.
Der Linken droht ein Desaster
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Minderheitsregierung
Eine Minderheitsregierung gab es in Sachsen-Anhalt schon zweimal: von 1994 bis 2002 unter Führung der SPD, toleriert von der damaligen PDS. In der vergangenen Legislaturperiode brachte Ex-Innenminister Holger Stahlknecht im Zuge des Koalitionsstreits um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages eine solche Option ins Spiel, worauf er von Ministerpräsident Haseloff umgehend entlassen wurde. Sollte die FDP stark genug werden, um der CDU mehrere Koalitionsoptionen zu eröffnen, dürfte auch dieses Modell vom Tisch sein - sollte aber eine Fortsetzung der Kenia-Koalition als einzige Option verbleiben oder überhaupt kein Dreierbündnis eine Mehrheit erreichen, könnte Stahlknechts umstrittene Idee vielleicht wieder zum Diskussionspunkt werden.
Kämpferische Worte für den Osten
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Und die Linke?
Aktuell kommen SPD, Grüne und Linke zusammen auf etwa 30 Prozent - demgegenüber stehen CDU, FDP und AfD mit etwa 60 Prozent. Mit einer rot-rot-grünen Koalition wird es wohl nichts. Allerdings: Sollte in der Mitte kein Dreierbündnis möglich sein, wäre unter Umständen eine ganz wilde Option denkbar: eine Beteiligung der Linken an einem Mitte-Bündnis, um die AfD zu verhindern. Wahrscheinlich ist das aber nicht.
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