Deutschland verurteilt unter Zwang-Interview mit Protassewitsch

EU arbeitet an weiteren Sanktionen gegen Regierungsvertreter aus Belarus

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Berlin. Ein offenbar unter Zwang aufgezeichnetes Interview mit dem belarussischen Regierungskritiker und Journalisten Roman Protassewitsch ist von Deutschland scharf verurteilt worden. Es sei eine »Schande« für die belarussische Führung und zeige deren ganze »Demokratieverachtung« und »Menschenverachtung«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Derweil kritisierte der internationale Luftfahrtverband das Flugverbot für europäische Airlines über Belarus als Reaktion auf die Festnahme Protassewitschs nach einer erzwungenen Landung in Minsk Ende Mai.

Deutschland »verurteilt auf das Schärfste diese erneute Vorführung des Gefangenen Roman Protassewitsch«, sagte Seibert. »Da wird ein unliebsamer oppositioneller Journalist hinter Gitter gebracht und dort so weit psychisch und möglicherweise auch physisch bearbeitet, dass er dieses vollkommen unwürdige und unglaubwürdige Geständnis-Interview gibt.«

Seibert sagte Protassewitsch die Unterstützung der deutschen Regierung zu. »Unsere Gedanken sind bei diesem jungen Mann und allen anderen Bürgern von Belarus, die für ihre Überzeugung so unmenschlich behandelt werden.«

Auch Großbritannien nannte das Interview »verstörend« und sagte, es sei »eindeutig unter Zwang entstanden«. Außenminister Dominic Raab forderte, dass die an der Ausstrahlung des Interviews Beteiligten zur Verantwortung gezogen werden.

Protassewitsch bekennt sich in dem am Donnerstag ausgestrahlten Interview im belarussischen Staatsfernsehen dazu, zu Protesten aufgerufen zu haben. Auch lobt der 26-Jährige, der sich in dem eineinhalbstündigen Video erkennbar unwohl fühlt, den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, bevor er in Tränen ausbricht.

Beobachter und Aktivisten gehen davon aus, dass das Interview unter Zwang zustande gekommen ist. »Solche Videos entstehen alle unter Druck«, sagte die im Exil lebende belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowsjaka vor Journalisten in Warschau. »Wir müssen diesen Worten keine Aufmerksamkeit schenken, weil sie infolge von Folter ausgesprochen werden.« Die Aufgabe politischer Gefangener sei es, »zu überleben«, betonte Tichanoswkaja angesichts des Videos.

Zuvor hatte auch Protassewitschs Vater den Vorwurf geäußert, die Aussagen seines Sohnes seien durch Folter zustandegekommen. »Ich kenne meinen Sohn sehr gut und glaube, dass er so etwas nie sagen würde«, sagte Dmitri Protassewitsch der Nachrichtenagentur AFP.

Die Festnahme Protassewitschs und seiner Partnerin Sofia Sapega im Zusammenhang mit der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine durch die belarussischen Behörden vor knapp zwei Wochen hatte international Empörung ausgelöst und die Führung in Minsk weiter isoliert. Die EU und die USA verhängten in der Folge neue Sanktionen gegen Belarus.

Unter anderem einigten sich die EU-Botschafter am Freitag darauf, den Luftraum der EU für belarussische Maschinen zu sperren. Das Verbot tritt demnach ab Samstag in Kraft und beinhaltet, dass Airlines aus dem osteuropäischen Land in keinem der 27 Mitgliedstaaten starten, landen oder den Luftraum durchfliegen dürfen.

Derweil kritisierte der Internationale Luftfahrtverband (Iata) eine seit Mittwoch gültige Maßnahme der europäischen Flugsicherheitsbehörde Easa gegen Belarus, wonach in Europa ansässige Fluggesellschaften ihre Maschinen nicht im belarussischen Luftraum fliegen lassen dürfen. Ein solches Verbot des Luftraums eines Drittstaats »politisiert die Flugsicherheit« und sei »eine rückschrittliche und enttäuschende Entwicklung«, teilte die Iata, die Vertretung von 290 Fluggesellschaften mit mehr als 80 Prozent weltweitem Marktanteil, in einer Erklärung mit.

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Die Easa hatte mit dem Verbot die Maßnahmen gegen den belarussischen Machthaber Lukaschenko nach der Zwangslandung in Minsk verschärft. Bisher hatte die Behörde ein Umfliegen des Luftraums über Belarus lediglich als Empfehlung ausgesprochen.

In Brüssel ist unterdessen eine neue Sanktionsliste mit weiteren belarussischen Vertretern und der Regierung nahestehenden Institutionen in Arbeit. EU-Diplomaten gehen davon aus, die Liste bis nächste Woche finalisiert zu haben. Desweiteren erarbeitet die EU derzeit Vorschläge für breitere Wirtschaftssanktionen, die noch im Juni in Kraft treten könnten. AFP/nd

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