Steuerentlastung für künftige Rentner-Jahrgänge in Sicht

bundesfinanzhof weist zwei klagen ab, warnt aber vor einer doppelbesteuerung

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Gert Zimmermann ist »Held der Rentner« - so die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« über den 74-jährigen ehemaligen Zahnarzt aus Hessen. Der hatte mit seiner Klage vor den Bundesfinanzhof zwar eine Niederlage eingesteckt, aber für spätere Rentner viel gewonnen. Denn künftige Rentnerjahrgänge, insbesondere jene mit höheren Renten, können nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Mai 2021 (Az. X R 33/19 und Az. X R 20/19) mit einer Entlastung bei der Besteuerung ihrer Altersversorgung rechnen (Siehe nd vom 1. Juni 2021).

Folgen des Urteils

In einer der nächsten Ausgaben des nd-Ratgebers wird unser langjähriger Autor und Experte Dr. Rolf Sukowski weiter detailliert auf das BFH-Urteil eingehen und sich mit den möglichen Folgen befassen.
nd-Ratgeberredaktion

Der Zahnarzt war Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks für Mediziner, aber er blieb als freiwilliges Mitglied auch in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Streitjahr 2009 erhielt er von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente plus Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere »Rürup«-Renten sowie zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.

Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente, einschließlich der Leistungen der Höherversicherung, den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 Prozent an. 42 Prozent der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei.

Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sogenannte Öffnungsklausel an. Die ermöglicht es, in bestimmten Fällen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die »Rürup«-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten wie vom Gesetz vorgesehen mit dem Ertragsanteil in Ansatz.

Dagegen richtete sich seine Klage. Sein Argument: Die gesetzliche Altersrente würde unzulässiger Weise doppelt besteuert. Der BFH sah das anders und entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind.

Ähnlich entschied der BFH im ebenso speziellen Fall des klagenden Steuerberaters. So unterschiedlich die beiden Fälle auch sind, hier wie dort liege keine Doppelbesteuerung vor. Nach den Übergangsvorschriften habe es keine verbotene Doppelbesteuerung gegeben, so der X. Senat des BFH. Die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Renten sei genauso hoch wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.

Nötig ist an dieser Stelle ein Blick zurück: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2002 (Az. 2 BvL 17/99 und Az. 2 BvR 1066/10) die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Renten für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin reformierte die Bundesregierung die Einkommensteuer, wonach ab Januar 2005 Renten wie Pensionen von Beamten im Grundsatz voll besteuert werden. Im Gegenzug wurden Einzahlungen in die Rente als Sonderausgaben steuerlich sofort abziehbar.

Mit dieser »nachgelagerten Besteuerung« wollte man die Lohnnebenkosten der Unternehmen senken. Für die Übergangsphase wurde der Besteuerungsanteil der Renten ab 2005 auf 50 Prozent festgesetzt. Für Renten, die nach 2005 beginnen, wurde der Besteuerungsanteil bis 2020 jährlich um 2 Prozent, ab 2021 um 1 Prozent erhöht. Ab 2040 müssen Neurentner ihre Rente voll versteuern. Im Gegenzug können Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden, ab 2025 ungekürzt. Dazu kommen diverse Sonderregelungen, die etwa bei Rentenerhöhungen einsetzen.

So weit, so kompliziert. Nun hat der BFH genauer nachgerechnet. Was dem Zahnarzt und jetzigen Rentnern noch erspart bleibt, könnte späteren Rentnern drohen. »Künftige Rentenjahrgänge können von der verbotenen doppelten Besteuerung später betroffen sein«, so der X. Senat des BFH. Nach Ausführungen des BFH droht insbesondere Selbstständigen, Unverheirateten und Männern eine Doppelbesteuerung, die über einen Bagatellbetrag hinausgeht. Senioren, die erst kürzlich in Rente gingen, sind nach Aussage des Gerichts stärker betroffen. Künftig sollen weder der Grundfreibetrag von aktuell 9744 Euro noch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung einbezogen werden.

Kurz nach der Urteilsverkündung machte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Idee öffentlich: Die eigentlich ab 2025 geplante vollständige Absetzbarkeit der Rentenbeiträge von der Steuer soll 2023 kommen.

Weitere Infos auf der Internetseite der Verbraucherorganisationen unter https://www. steuerzahler.de/aktuelles/detail/rentensteuerurteil-das-muessen-sie-jetzt-wissen/.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -