Steuerentlastung für künftige Rentner-Jahrgänge in Sicht
bundesfinanzhof weist zwei klagen ab, warnt aber vor einer doppelbesteuerung
Gert Zimmermann ist »Held der Rentner« - so die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« über den 74-jährigen ehemaligen Zahnarzt aus Hessen. Der hatte mit seiner Klage vor den Bundesfinanzhof zwar eine Niederlage eingesteckt, aber für spätere Rentner viel gewonnen. Denn künftige Rentnerjahrgänge, insbesondere jene mit höheren Renten, können nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Mai 2021 (Az. X R 33/19 und Az. X R 20/19) mit einer Entlastung bei der Besteuerung ihrer Altersversorgung rechnen (Siehe nd vom 1. Juni 2021).
In einer der nächsten Ausgaben des nd-Ratgebers wird unser langjähriger Autor und Experte Dr. Rolf Sukowski weiter detailliert auf das BFH-Urteil eingehen und sich mit den möglichen Folgen befassen.
nd-Ratgeberredaktion
Der Zahnarzt war Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks für Mediziner, aber er blieb als freiwilliges Mitglied auch in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Streitjahr 2009 erhielt er von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente plus Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere »Rürup«-Renten sowie zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.
Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente, einschließlich der Leistungen der Höherversicherung, den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 Prozent an. 42 Prozent der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei.
Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sogenannte Öffnungsklausel an. Die ermöglicht es, in bestimmten Fällen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die »Rürup«-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten wie vom Gesetz vorgesehen mit dem Ertragsanteil in Ansatz.
Dagegen richtete sich seine Klage. Sein Argument: Die gesetzliche Altersrente würde unzulässiger Weise doppelt besteuert. Der BFH sah das anders und entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind.
Ähnlich entschied der BFH im ebenso speziellen Fall des klagenden Steuerberaters. So unterschiedlich die beiden Fälle auch sind, hier wie dort liege keine Doppelbesteuerung vor. Nach den Übergangsvorschriften habe es keine verbotene Doppelbesteuerung gegeben, so der X. Senat des BFH. Die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Renten sei genauso hoch wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.
Nötig ist an dieser Stelle ein Blick zurück: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2002 (Az. 2 BvL 17/99 und Az. 2 BvR 1066/10) die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Renten für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin reformierte die Bundesregierung die Einkommensteuer, wonach ab Januar 2005 Renten wie Pensionen von Beamten im Grundsatz voll besteuert werden. Im Gegenzug wurden Einzahlungen in die Rente als Sonderausgaben steuerlich sofort abziehbar.
Mit dieser »nachgelagerten Besteuerung« wollte man die Lohnnebenkosten der Unternehmen senken. Für die Übergangsphase wurde der Besteuerungsanteil der Renten ab 2005 auf 50 Prozent festgesetzt. Für Renten, die nach 2005 beginnen, wurde der Besteuerungsanteil bis 2020 jährlich um 2 Prozent, ab 2021 um 1 Prozent erhöht. Ab 2040 müssen Neurentner ihre Rente voll versteuern. Im Gegenzug können Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden, ab 2025 ungekürzt. Dazu kommen diverse Sonderregelungen, die etwa bei Rentenerhöhungen einsetzen.
So weit, so kompliziert. Nun hat der BFH genauer nachgerechnet. Was dem Zahnarzt und jetzigen Rentnern noch erspart bleibt, könnte späteren Rentnern drohen. »Künftige Rentenjahrgänge können von der verbotenen doppelten Besteuerung später betroffen sein«, so der X. Senat des BFH. Nach Ausführungen des BFH droht insbesondere Selbstständigen, Unverheirateten und Männern eine Doppelbesteuerung, die über einen Bagatellbetrag hinausgeht. Senioren, die erst kürzlich in Rente gingen, sind nach Aussage des Gerichts stärker betroffen. Künftig sollen weder der Grundfreibetrag von aktuell 9744 Euro noch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung einbezogen werden.
Kurz nach der Urteilsverkündung machte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Idee öffentlich: Die eigentlich ab 2025 geplante vollständige Absetzbarkeit der Rentenbeiträge von der Steuer soll 2023 kommen.
Weitere Infos auf der Internetseite der Verbraucherorganisationen unter https://www. steuerzahler.de/aktuelles/detail/rentensteuerurteil-das-muessen-sie-jetzt-wissen/.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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