- Politik
- Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Die Linke in der Defensive
Nach der herben Wahlniederlage in Sachsen-Anhalt macht die Linke auch Reiner Haseloff verantwortlich
Dieser Termin hätte so schön sein können: Berlin, Bundespressekonferenz. Doch Eva von Angern saß am Montagnachmittag vor versammelter Öffentlichkeit und hatte einen schweren Job zu leisten. Sie musste dieses desaströse Ergebnis, das die Linke bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag erlitten hatte, irgendwie erklären.
»Vielen Dank, dass wir da sein können«, begann die 44-Jährige, die als Spitzenkandidatin ihrer Partei angetreten war - und schon in dieser ersten Aussage steckte großes Interpretationspotenzial. Der Satz klang, als richte sich von Angern nicht etwa an die gastgebenden Journalisten in Berlin, sondern an ihre übrig gebliebene Wählerschaft im fernen Sachsen-Anhalt: »Vielen Dank, dass ihr uns noch einmal gewählt habt. Dass wir noch da sein können.« Da mischte sich Verzweiflung in die Dankbarkeit.
Ja, die Linke ist noch da, damit hat die Juristin recht. Die Zahlen aus Sachsen-Anhalt zeigen jedoch: Der Niedergang der einstigen Volkspartei in Ostdeutschland schreitet weiter mit hohem Tempo voran. Schon bei der Wahl 2016 hatte die Partei deutliche Verluste erlitten: von 23,7 auf 16,3 Prozent. Nun ging es noch weiter nach unten: 11 Prozent, das schlechteste Landesergebnis der Linken in der mehr als 30-jährigen Geschichte Sachsen-Anhalts. Bisheriger Negativrekordhalter war die Wahl 1990, als die damalige PDS noch sehr unter der gerade zu Ende gegangenen SED-Ära litt. Zudem ist längst nicht sicher, ob die Linke nach der Bundestagswahl immer noch da sein wird - also, ob sie dann noch im Bundestag sitzen darf.
Was hat die Linke falsch gemacht?
Die Linke steckt in einer veritablen Krise - sowohl in Sachsen-Anhalt als auch im Bund. Eine Aufarbeitung des Desasters scheint dringend nötig und beginnt gleichwohl mühsam. »Das ist eine herbe Niederlage für uns. Das ist ein Ergebnis, das uns nicht zufriedenstellen kann«, sagte Eva von Angern und suchte die Schuld zunächst einmal nicht in ihrer eigenen Partei, sondern bei Ministerpräsident Reiner Haseloff: Die »Polarisierung zwischen CDU und AfD« habe dazu geführt, dass viele Wähler von der Linken zur CDU gewandert seien, um einen Wahlsieg der Rechtsradikalen zu verhindern. »Es ist uns nicht gelungen, das zu durchbrechen.«
Das stimmt zwar mit Blick auf die Zahlen - tatsächlich hat die Linke 14 000 Stimmen zugunsten Haseloffs eingebüßt. Doch ebenso gingen 10 000 Stimmen an Nichtwähler und 6000 Stimmen an die Grünen. Soll heißen: Diese Polarisierung, von der von Angern sprach, ist definitiv nicht der einzige Grund für die Wahlniederlage. Irgendetwas muss auch die Linke falsch gemacht haben.
Nur was? Die Dreierrunde auf der Bundespressekonferenz - neben der Spitzenkandidatin noch Landeschef Stefan Gebhardt und die Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow - hatte zunächst nur Ansätze parat. Und immer wieder ging der Fingerzeig weg von der eigenen Verantwortung, hin zur Konkurrenz oder zu äußeren Umständen. »Wir sind nicht gewillt, das Wahlergebnis schönzureden«, sagte Gebhardt, »aber wir versuchen schon, Gründe dafür zu finden.« Und diese Gründe fand der sonst so gut gelaunte, am Montag jedoch sehr ernst dreinblickende Landesvorsitzende vor allem in der Corona-Pandemie. Diese habe mit ihren omnipräsenten, sich als Krisenmanager inszenierenden Ministerpräsidenten, aber auch durch Abstands- und Hygienemaßnahmen dazu geführt, dass die Opposition im Wahlkampf einen schweren Stand gehabt habe: »Wir sind eine Partei, die direkten Kontakt zu den Wählern braucht.«
Persönliche Konsequenzen wollten jedenfalls weder Eva von Angern noch Stefan Gebhardt ziehen. Sie wolle wieder Fraktionsvorsitzende werden, sagte von Angern und kündigte eine harte Oppositionsarbeit an. Ansonsten hob sie noch hervor, dass es ihrer Partei zumindest gelungen sei, »ein anderes Thema als Corona im Wahlkampf zu setzen. Darauf bin ich stolz.« Natürlich meinte sie das Thema Ostdeutschland, insbesondere das Anti-Wessi-Wahlplakat: »Nehmt den Wessis das Kommando!« Richtig ist aber auch: Bei ihren Kernthemen hat die Linke an Zustimmung eingebüßt.
Folgen für die Bundestagswahl?
Bleibt noch die Frage: Was bedeutet dieses Ergebnis mit Blick auf die Bundestagswahl? Susanne Hennig-Wellsow sagte, sie betrachte den Ausgang der Wahl vom Sonntag nicht als »Fingerzeig«, und verwies darauf, dass die Umfragewerte »sehr beweglich« seien. »Es ist noch alles drin«, sagte die Parteichefin. Für die Bundestagswahl sei »noch nichts festgezogen«. Sie kündigte zugleich an, dass die Linke sich im Wahlkampf deutlich von den anderen Parteien abgrenzen werde. »Jetzt ist nicht die Zeit für Kompromisse, und jede Partei kämpft für sich allein.«
Anders sieht das der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz, der das schlechte Abschneiden der Linken bei der Landtagswahl als ein Warnsignal betrachtet. »Es ist ein wahnsinnig schlechtes Ergebnis für die Linken, sie sind der große Wahlverlierer«, sagte Brodocz. Die Linke lebe vor allem vom Zuspruch aus den ostdeutschen Bundesländern: »Je mehr ihr dort die Stimmen wegfallen, desto schwerer könnte ihr damit auch der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen.«
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