Neuwahl dringend angeraten
Die Ethikhüter des DOSB empfehlen ihrer Führungsriege, sich nach den schweren Vorwürfen ein neues Mandat zu holen
Die Ethikkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes geht mit der DOSB-Führung hart ins Gericht. Das Gremium empfiehlt, dass sich das Präsidium nach Vorwürfen unangemessener Umgangsformen durch Mitarbeiter einer Vertrauensabstimmung der Mitglieder stellt. »Es sollten im Dezember 2021 vorgezogene Neuwahlen stattfinden«, heißt es in dem am Montagabend veröffentlichten neunseitigen Bericht der Kommission unter dem Vorsitz des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière. »Nur eine vorgezogene Wahl des gesamten Präsidiums kann zu einer dauerhaften Vertrauensstiftung im deutschen Sport führen.«
In einem Schreiben vom 6. Mai im Namen von Mitarbeitern des Dachverbandes war die Anschuldigung erhoben worden, die DOSB-Führung um Präsident Alfons Hörmann habe ein »Klima der Angst« in der Frankfurter DOSB-Zentrale geschaffen. Dabei wurden vor allem Hörmann eine Reihe von Verfehlungen vorgeworfen. Daraufhin hatten Präsidium und Vorstand die Ethikkommission eingeschaltet. Nach deren Auffassung »kann es mit so unterschiedlichen Beurteilungen der handelnden Personen und der gelebten Strukturen nicht weitergehen«, heißt es im Bericht. Es fehle an ausreichendem Vertrauen und am notwendigen Zutrauen an den Fähigkeiten der Mitarbeiter.
»Es gibt zu viel Selbstbespiegelung, Demotivation und Gerüchte, Unzufriedenheit und Unklarheit«, wird im Report festgestellt und gefolgert: »Das ist ein Zustand, der auch mit dem Führungsverhalten von Präsidium und Vorstand zusammenhängen muss.« Dies müsse sich die DOSB-Spitze vorwerfen lassen. Andererseits sei es nicht an der Ethikkommission zu entscheiden, ob zwischen den Beteiligten »eine ausreichende Vertrauensbasis für eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft« bestehe.
Auf einer Präsidiums- und Vorstandssitzung am Montag und Dienstag soll die Empfehlung der Kommission »intensiv diskutiert und beraten« werden, teilte der DOSB am Montagabend mit. »Unser Anspruch ist ein Miteinander, das auf Ehrlichkeit, Transparenz und gegenseitiger Wertschätzung beruht. Deshalb war uns eine Klärung durch das gemäß der Satzung zuständige Gremium wichtig.«
Die Mitglieder von Präsidium und Vorstand hatten dem 60-jährigen Hörmann in der Krise schnell mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen. Dagegen hatten die Spitzenverbände im DOSB vor einer vorschnellen Positionierung gewarnt. Kritik gab es aus einigen Landessportbünden; so forderte Nordrhein-Westfalens LSB-Präsident Stefan Klett sogar den Rücktritt Hörmanns. Turnusgemäß stünden aber erst auf der Mitgliederversammlung Ende 2022 Wahlen auf der Tagesordnung. Der aus Bayern stammende Hörmann ist seit 2013 Chef des DOSB.
Bei der Aufklärung der Vorwürfe sind der Ethikkommission vom Ombudsmann des Verbandes, Felix Rettenmaier, Stellungnahmen von 46 Hinweisgebern - einige mit Namensnennungen, die meisten in anonymisierter Form - zugesandt worden. »Die übergroße Mehrheit unterstützte den Tenor des anonymen Briefes«, hieß es nun im Kommissionsreport mit der Ergänzung: »Was die konkreten Vorwürfe angeht, so kannten sie diese meistens vom Hörensagen und nicht aufgrund eigenen Erlebens.«
Einige Hinweisgeber hätten aber auch den Führungsstil des Präsidenten ausdrücklich unterstützt. Ein Urteil darüber, ob dieser für ein »Klima der Angst« im DOSB verantwortlich sei, wollten die Ethiker angesichts der »Diskrepanz der widersprüchlichen Meinungen, die an sich erstaunlich und schon ein Problem« seien, nicht fällen.dpa/nd
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