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  • Mietenwahnsinn in Berlin

Darlehen gegen Verdrängung

Mieter aus Berlin fordern von SPD-Finanzsenator Freigabe von Mitteln für Vorkaufsrecht

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Als sich Anfang März fremde Personen den Dachboden in der Choriner Straße 12 in Mitte anschauten, seien sie als Mieter hellhörig geworden, erzählt Conrad Menzel. Ein Anruf beim Eigentümer bestätigt die Befürchtung: Das Haus soll verkauft werden; der Kaufpreis liege bei rund fünf Millionen Euro. Die Hausgemeinschaft will das Haus selbst erwerben. Mehrfach hätten sie den Eigentümer gebeten, dass er mit ihnen und nicht mit Dritten verhandelt. »Leider vergebens«, sagt Menzel.

Am 26. Mai wurde der Kaufvertrag mit einem den Mietern unbekannten Investor besiegelt. Der Alteigentümer der Choriner Straße 12 sei fair gewesen, die Mieten sozialverträglich. Das könnte sich nun ändern. Menzel fürchtet auch um die Gewerbeeinheiten, das Herz des Hauses, wie er sagt. »Bei einem Verkauf droht vor allem dem Spätkauf und der Arztpraxis schlimmstenfalls der Rausschmiss zum Ende des Jahres.«

Die letzte Hoffnung für das im Milieuschutzgebiet liegende Haus ist das Vorkaufsrecht. Zwei Monate sind Zeit, einen gemeinwohlorientierten Dritten zu finden. Um das Haus tatsächlich vorzukaufen oder dem eigentlichen Käufer zumindest eine sogenannte Abwendungsvereinbarung abzuringen, die Modernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen temporär untersagt. Mit Hilfe des Pankower SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup haben die Mieter der Choriner Straße bereits Anfang Juni die Genossenschaft Bremer Höhe, bei der Mindrup selbst Aufsichtsrat ist, als potenziellen Drittkäufer ins Boot holen können.

Doch am Ende hängt der Erfolg von der Senatsfinanzverwaltung ab. Die Genossenschaften sind bei den hohen Hauspreisen auf zinslose Darlehen angewiesen. Der Topf für den genossenschaftlichen Bestandserwerb ist aber weitgehend ausgeschöpft. Ein Problem, mit dem die Mieter der Choriner Straße nicht allein sind. Auch in der Schönhauser Allee sowie in Häusern in Kreuzberg und Schöneberg setzen Mieter ihre Hoffnung aktuell auf die Genossenschaft Bremer Höhe.

»Der Bezirk versucht auf allen Kanälen auch auf die Senatsfinanzverwaltung einzuwirken«, sagt Vollrad Kuhn, grüner Bezirksstadtrat, der in Pankow gerade zeitgleich den Vorkauf einer Handvoll Häuser prüft.

»Es gibt noch Mittel für den genossenschaftlichen Neubau. Diese könnten genauso wie die Zuschüsse für die Landeseigenen zugunsten des Vorkaufs durch Genossenschaften umgewidmet werden«, erklärt Katrin Schmidberger. Die Mietenexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus will, dass sich die Koalition noch diese Woche zusammensetzt und nach einer Lösung für alle betroffenen Häuser sucht. Für sie ist klar: »Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg.«

Käuferin der Schönhauser Allee 135 soll die Bluerock Group sein. »Die moderne Stadt ist einer der attraktivsten Immobilienstandorte in Europa«, teilte Ronny Pifko, Mitbegründer des Schweizer Investment-Unternehmens im April mit, als das Unternehmen über den Kauf von 13 Wohnhäusern für 112 Millionen Euro informierte. Das Haus könnte Teil des Pakets sein.

Klaus Mindrup hat sich in einem Brief an seinen Parteifreund, Finanzsenator Matthias Kollatz, gewandt und bittet um eine Aufstockung der Kreditmittel. »Ohne eine Unterstützung in Form des Ankaufkredites können die Genossenschaften nicht mit den privaten Erwerbern konkurrieren«, schreibt der Bundestagsabgeordnete und verweist zugleich auf drohende Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen. Die Möglichkeiten solcher profitorientierten Maßnahmen sind letztlich auch ein Grund, warum für private Investoren die hohen Kaufpreise immer noch rentabel sind. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften schrecken aber nicht selten vor Vorkäufen zurück, weil die Kaufpreise eine gemeinwohlorientierte Vermietung unwirtschaftlich machen würden.
Da gerade wieder viele Häuser ihren Besitzer wechseln, vermutet Mindrup einen Zusammenhang mit dem bald in Kraft tretenden novellierten Baugesetzbuch. Dieses erschwert unter anderem Umwandlungen und verlängert die Vorkaufsfrist auf drei Monate.

Selbst wenn die Situation so zumindest ein bisschen besser werden könnte, droht dem Vorkaufsrecht in Berlin die nächste Baustelle: Der Ankauf von 20 000 Wohnungen von Deutsche Wohnen und Vonovia. »Der geplante Ankauf soll allein über die Wohnungsbaugesellschaften finanziert werden, also außerhalb des Landeshaushalts«, heißt es aus der Finanzverwaltung. »Der Ankauf belastet die Landeseigenen«, meint Katrin Schmidberger. »Das bedeutet, künftig könnte auch weniger Geld für Vorkäufe zur Verfügung stehen.«

Für Conrad Menzel aus der Choriner Straße ist klar, dass es beides braucht: sowohl den großen Ankauf als auch Geld für die kleinen Vorkäufe. »Die Stadt muss in die Vollen gehen, sonst droht die vermutlich letzte Chance verpasst zu werden, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren«, sagt er.

Am Mittwochabend nach Redaktionsschluss wollten die Mieterinnen und Mieter beider Häuser demonstrieren. Von der Schönhauser Allee zur Choriner Straße sollte die Demonstration führen. Auch in der Florastraße 68 hoffen Bewohnerinnen und Bewohner auf das Vorkaufsrecht.

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