- Berlin
- Mieterschutz in Berlin
Endlich ohne Angst wohnen
Claudia Krieg über die Erleichterungen für Mieter*innen beim Vorkauf
So richtig glauben kann man es zunächst nicht: Die Miet- und Wohnbiografie hatte bereits drei Eigenbedarfskündigungen, einen Auszug wegen Abriss und unfreiwillig geschlossene Untermietverträge zu bieten, da kam obendrauf noch die Nachricht, dass das über 100 Jahre alte Berliner Mietshaus im Milieuschutzgebiet verkauft wurde - mitten in der Coronakrise. Die Mieter*innen, die bis zu 40 Jahre im Haus leben, sind schockiert. Ratzfatz taucht auch gleich ein Architekt auf, vermisst, plant, erklärt die Modernisierungsvorhaben. Der Bezirk teilt mit, er prüfe das Vorkaufsrecht - aber der Preis ist derart überteuert, dass die meisten landeseigenen Gesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften gleich abwinken. Der Käufer verkündet, das Haus als »Altersvorsorge« erworben zu haben, Abwendungsvereinbarungen, die die Umwandlung in Eigentum für einen absehbaren Zeitraum verhindern würden, werde er nicht unterschreiben.
Es folgt monatelanges Schwanken zwischen Unsicherheit und Veränderungsdruck. Die Mieter*innen versuchen sich zu organisieren, schreiben Genossenschaften an, lassen sich beraten, sammeln Eigenanteile. Der Druck steigt, auch wenn es Hoffnung gibt: Eine Genossenschaft erklärt sich zur Zusammenarbeit bereit. Aber erst wenn der Vorkauf wirklich klappt und auch keine halbgare Abwendungsvereinbarung unterzeichnet wird, sind ein Haus und seine gemeinwohlorientierte Nutzung durch bezahlbare Mieten sicher.
Eindrücklich sind auch die Schilderungen aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Diese eG. Ein Gründungsmitglied der Genossenschaft erklärte, wie groß die Ängste waren, als ihr Haus verkauft wurde, und wie glücklich die Menschen heute sind. Dass sie mehr Miete bezahlen als zuvor, ist dem hohen Kaufpreis geschuldet. Aber dafür haben sie lebenslange Sicherheit und finanzieren das eigene Haus und die Solidargemeinschaft. Einfach niemand sollte Angst um seine Wohnung haben müssen, nirgendwo. Und solange es kein Gesetz gibt, das profitorientierte Immobilienunternehmer davon abhält, mit Wohnraum zu spekulieren, muss alles getan werden, um das Vorkaufsrecht durchzusetzen.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!