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Staatstrojaner: Netzgemeinde gibt SPD die Schuld

Nutzer in sozialen Netzwerken machen Stimmung gegen Überwachung im Internet

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Wir sind wieder kurz vor einer Bundestagswahl und die Große Koalition setzt die deutsche Tradition fort, kurz vor Ende der Legislaturperiode ein Überwachungsgesetz zu beschließen, was dann vermutlich Jahre später mindestens in Teilen von höchsten Gerichten für verfassungswidrig erklärt wird. In diesem Fall geht es um den Staatstrojaner. Der soll in Zukunft auch ohne richterliche Beschlüsse einsetzt werden dürfen. Außerdem sollen alle 19 Geheimdienste Staatstrojaner erhalten.

Das soll heute im Bundestag beschlossen werden. Darüber gibt es viel Aufregung im Netz. »Wer mit Sicherheit argumentiert, um den Staatstrojaner durchzudrücken, sollte mal einfach kurz darüber nachdenken, was eine Partei wie die AfD mit diesem Werkzeug anstellen würde«, schreibt etwa die Autorin Katharina Nocun auf Twitter.

Sie und zahlreiche Netzaktivisten, darunter auch die von der Piratenpartei, ließen am Donnerstagmorgen den Hashtag Staatstrojaner in Deutschland trenden. Der Staatstrojaner sei der »feuchte Traum aller Überwachungsfanatiker« und stelle die Bürger unter Generalverdacht, twitterte die Piratenpartei. Viele Nutzer kritisierten, dass für die Nutzung des Staatstrojaners Sicherheitslücken in Software offengelassen werden müssten, damit die Überwachung funktioniert.

Dies bringe keine Sicherheit, sondern schaffe das Gegenteil. Einige Twitter-User wiesen zudem darauf hin, dass man Deutschlands Geheimdiensten angesichts der kürzlich bekannt gewordenen Überwachung von Politikern von SPD, Grünen und Linkspartei in Sachsen oder der wegen rechter Netzwerke unter den Elitepolizisten nötig gewordenen Auflösung des hessischen SEK keine weiteren Überwachungswerkzeuge an die Hand geben dürfe.

Volksverpetzer-Journalist Alex Urban wiederum machte in der Debatte auf das politisch opportune Vorbringen von Datenschutzbedenken in Deutschland aufmerksam: »Ein Gewese um Datenschutz bei der Corona-App machen, aber jetzt den Staatstrojaner durchwinken«. Der Historiker Pascal Begrich wiederum machte auf die Prioritätensetzung der Großen Koalition aufmerksam. Kinderrechte ins Grundgesetz zu schreiben sowie den Begriff Rasse aus diesem zu streichen sei für diese nicht machbar, auch die Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes nicht, ein Staatstrojaner aber schon.

Ein Großteil der Aufregung im Netz richtete sich gegen die SPD. Auf Twitter ließen Nutzer den Hashtag #NieMehrSPD trenden, der schon bei den Protesten gegen die Zustimmung der Sozialdemokraten zu dem Einsatz von Uploadfiltern verwendet worden war. Der Staatstrojaner sei einer »Bankrotterklärung« der SPD, twittert die Ex-Piratin Marina Weisbrand, die in der Sache von der CDU »ohnehin nichts erwartet«. Subtiler bringt es die Gründerin der NGO Equal Rights Without Borders und Linke-Bundestagsabgeordnete Clara Anne Bünger zum Ausdruck: »Was übrigens nicht gegen die massive rechtswidrige Ausweitung der Überwachung hilft, sind Stellungnahmen von Einzelpersonen auf Twitter, die ihre eigenen Zweifel zum Ausdruck bringen und dann doch dafür stimmen.«

Gemeint ist SPD-Chefin Saska Esken, die auf Twitter ihr Bedauern über die Entscheidung der Partei zum Ausdruck gebracht hat, die Einführung des Staatstrojaners mittragen zu wollen, aber »die mehrheitliche Entscheidung« der Partei »akzeptieren« will. Andere Twitter-Nutzer verweisen darauf, dass der Staatstrojaner nicht Teil des Koalitionsvertrags gewesen sei, die Partei also ohne Not in letzter Minute einem Instrument zustimmt, das ein Teil der Partei ablehnt.

Ein Kompromiss zu viel
Daniel Lücking über die Ausweitung des Staatstrojaner-Einsatzes

Der IG Metall-Gewerkschafter Filippos Kourtoglou wiederum prophezeit in Richtung der Sozialdemokraten, dass das Mittragen der Einführung erst von Uploadfiltern und nun des Staatstrojaners nicht folgenlos für das Engagement für die Partei sein wird: »Wieso sollten sich junge Menschen jetzt melden?«. Doch laut Kourtoglou würden SPD-Politiker das Thema als nicht bedeutungsvoll für die eigenen Wähler in ihren Wahlkreisen ansehen. »Ist doch nur Twitter. Aber nach jeder Wahl darüber wundern, warum die SPD bei Wähler*innen unter 30 bei 9 Prozent liegt«, schreibt Liban Fahra, SPD-Stadtverordneter aus Marburg und stellvertretender Vorsitzender der Jusos Hessen-Nord.

Während Fahra die zukünftige Politik der Sozialdemokraten zum Staatstrojaner ändern will und deswegen Jusos dazu aufruft, »die nächsten Jahre Delegierte auf allen SPD-Ebenen werden«, um die Ablehnung des Staatstrojanders zur »Beschlusslage« zu machen, ziehen andere Mitglieder der Sozialdemokraten einen anderen Schluss. »Ich bin heute aus der SPD ausgetreten«, schreibt etwa der Twitter-Nutze MazeMatze.

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