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Chaos-Kommando auf Hochglanz polieren
Das Verteidigungsministerium will die Krise in eine KSK-Reform verwandeln
Rund eine Woche bevor der Verteidigungsausschuss des Bundestags über den Abschlussbericht der Bundeswehr zur KSK-Affäre sprechen will, hat das Verteidigungsministerium den Bericht vorab veröffentlicht. Die Verantwortlichen sehen sich darin bei der selbst anberaumten und 60 Punkte umfassenden Reform auf einem guten Weg.
Auf 31 Seiten schweigt sich das Ministerium jedoch zu den wesentlichen Problemen weitgehend aus und verweist auf die Änderungen, wie den Personalaufwuchs beim KSK. »Die ergriffenen Maßnahmen sind nach ministerieller Bewertung geeignet, den regelungskonformen Umgang mit Munition im KSK für die Zukunft sicherzustellen«, heißt es im Bericht, in dem Details, auch zum widerrechtlichen Umgang mit KSK-Munition, nur in den nicht veröffentlichten Anlagen zu finden sind. Es wirkt, als wäre die Haupterklärung für verschwundene und illegal gehortete Munition einzig Personalmangel.
In den Anlagen zum Bericht, die »nd« vorliegen, wird indes deutlich, wie groß die Versäumnisse bei den Ermittlungen besonders im Bereich Munition sind. So fand im Mai 2020 die erste »Vor-Ort-Untersuchung« in der KSK-Kaserne in Calw erst 12 Tage nach der Razzia des LKA Sachsen statt, die die Affäre ins Rollen gebracht hatte. Bei KSK-Oberstabsfeldwebel S. war ein Munitionsdepot, das auch Sprengstoff, eine Kalaschnikow und Nazidevotionalien enthielt, gefunden worden. Die KSK-Soldaten waren gewarnt.
Bei dem Vor-Ort-Besuch in Calw stießen die ersten Ermittler aus einer Abteilung des Kommandos Heer dann auf Hinweise, dass KSK-Kommandeur Marcus Kreitmayr eine Maßnahme »Rücknahme Munition« ausgerufen hatte. KSK-Angehörige konnten offenbar anonym und somit straffrei überzählige Munition zurückgeben. Im Bericht wird deutlich, dass Brigadegeneral Kreitmayr bereits seit Ende 2019 von einem gravierenden Fehlbestand an Munition wusste und die erforderliche Meldung eines »Herausragenden Sicherheitsvorkommnisses« unterließ. Gegen Kreitmayr und einen weiteren Stabsoffizier laufen derzeit staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die erst zehn Monate nach Bekanntwerden der Munitionsschlampereien aufgenommen wurden.
Unter den Augen der Ermittler
Kreitmayrs Munitionsamnestie wurde noch vor dem eigentlichen Ablauf am 31. Mai 2020 gestoppt. Davon scheinen im KSK-Standort jedoch nicht alle Soldat*innen in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Mitte Juni 2020 kam es zu einer weiteren Abgabe von 7.400 Munitionsartikeln, die in den Bestand zurückgebucht wurden. In der Kaserne in Calw lagerte Munition offenbar nicht in den dafür vorgesehenen Bunkern, sondern auch in Diensträumen.
Im Bericht zu den Munitionsermittlungen wird beschwichtigt, es lägen »bisher keine Erkenntnisse dazu vor, dass Munitionsartikel vor ihre Rückgabe in Privatwohnungen oder außerhalb von Bundeswehrliegenschaften gelagert worden sein könnten.« Das es nicht auszuschließen ist, dass Munition die Kaserne verlassen hat, wird dann an anderer Stelle deutlich, an der Ermittler einräumen, es könne »nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob von Einzelnen einbehaltene Munition tatsächlich vollumfänglich zurückgegeben wurde.«
Strukturelles Problem
Das Problem mit der Munitionsverwaltung bestand im KSK nach den Erkenntnissen der Ermittler bereits seit mehreren Jahren. Schon für 2015 und 2016 gibt es Hinweise, dass die Inventuren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden. »Der Inventurzeitraum erscheint deutlich zu kurz«, heißt es mehrfach. Nicht nur fehlende, sondern auch überzählige Munition ist bei Inventuren ein Problem, da diese nicht zu den in den Buchungsbelegen genannten Losnummern passt. Das ist vergleichbar mit einer Autovermietung, in der zwar ausreichend Fahrzeuge desselben Modells auf dem Hof stehen, jedoch bei einigen die Kennzeichen nicht zum Bestand gehören und darüber hinaus Fahrzeuge vorhanden sind, die gar nicht zum Bestand gehören. Im Fall des KSK förderten die Untersuchungen Munition zutage, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte.
Die Aussichten alle Verantwortlichen für die falschen Munitionsabrechnungen zu identifizieren, werden im Bericht jedoch als fraglich gesehen. Ermittelt wird gegen einen Stabsoffizier. Er soll auch verantwortlich dafür gewesen sein, das im Jahr 2018 sogenannte »Schwarzbestände« – also überzählige Munition – auf dem Truppenübungsplatz Baumholder in Rheinland-Pfalz vernichtet worden sein könnten.
Teilweise sperrten sich verantwortliche Soldaten auch gegen vorschriftskonformes Verhalten. So wurden in der Ausrüstung eines 2015 im Einsatz verletzen KSK-Soldaten zwei Gefechtshandgranaten unbemerkt nach Calw zurückgebracht. Als ein Soldat diese bei der Munitionsgruppe abgeben wollte, wurde die Annahme dort verweigert. Erst im Rahmen der Munitionsamnestie im April 2020 gab der Soldat diese Handgranaten dann wieder ab.
Fortgesetzte Ungereimtheiten
Die Ermittler kritisieren das Personal, das für die Munitionsverwaltung zuständig ist und kommen zu der Einschätzung, »dass ein großer Anteil der betroffenen Personen den Umgang mit Munition – teilweise auch vorschriftswidrige Abläufe – als laufenden Routinebetrieb erlebt« habe. Mit einer Generalinventur versuchten die Ermittler wieder einen ordnungsgemäßen Bestand zu erreichen. Doch bereits wenige Wochen nach der Inventur gibt Anfang 2021 erneut Abweichungen. Neben Pistolenmunition fehlte ein Patronengurt für ein Maschinengewehr. Während sich die fehlende Pistolenmunition als Abrechnungsfehler nachvollziehen ließ, blieb der Maschinengewehrgurt verschwunden.
Verkehrte Schwerpunkte
Die Linksfraktion kritisierte insbesondere die Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus. »Anstatt die rechtsextremen Netzwerke im KSK restlos aufzuklären, geht es dem Verteidigungsministerium darum, die Spezialeinheit künftig noch schlagkräftiger einzusetzen«, so Christine Buchholz, Linke-Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags. »Der Bericht liest sich wie eine Initiative zur Stärkung der Einsatzfähigkeit des KSK. Es zeigt sich erneut, dass der Wille zur Aufklärung dem Druck, das KSK in Einsätze zu schicken, untergeordnet wird«, sagte Buchholz und forderte die Bundesregierung auf »endlich die politische Konsequenz ziehen: Schluss mit den Auslandseinsätzen, auch für die Spezialkräfte.« Die Gefahr rechter Netzwerke im KSK sei mit dem Abschlussbericht nicht gebannt. Buchholz kritisiert, der Bericht beschwichtige und erwecke den Eindruck, das Verteidigungsministerium habe alles im Griff.
Ein Teil des Berichtes befasst sich auch mit den Nebentätigkeiten, die insgesamt 131 Angehörige des KSK ausüben. Auch hier wollen die Ermittler die notwendigen Regeln überarbeiten. Insbesondere solle vermieden werden, dass aktive Soldat*innen Spezialkenntnisse aus der Bundeswehrausbildung bei zivilen Sicherheitsdienstleistern anbieten. Nebentätigkeiten im Ausland und in Krisengebieten seien grundsätzlich unzulässig, da diese in der Regel stets das Ansehen der Bundeswehr gefährden würden.
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