Schulen ohne Lehrer
Schulleiter schlagen angesichts gravierenden Personalmangels Alarm
Trotz sinkender Infektionszahlen blicken viele Berliner Schulleiter mit großer Sorge auf das neue Schuljahr. Während der Corona-Pandemie seien die Probleme an den Schulen noch deutlicher geworden, sagte die Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS), Astrid-Sabine Busse, am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Schulleiterverbände. »Die wichtigsten Akteure sind und bleiben die Lehrerinnen und Lehrer. Die sind so knapp wie Goldstaub. Und es wird jedes Jahr enger.«
Aus Sicht der Schulleitungen muss etwas geschehen. Eine zentrale Forderung lautet, Lehrkräfte in Berlin wieder zu verbeamten. Andernfalls sei der wachsende Bedarf angesichts der anstehenden Pensionierungszahlen bei gleichzeitig steigenden Schülerzahlen nicht zu decken, argumentierte Busse. Ein Drittel aller Lehrkräfte in Berlin seien 55 Jahre oder älter - viele davon gingen in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Laut Busse wird für das Schuljahr 2025/26 ein Bestand von 23 000 Lehrkräften erwartet - bei einem Bedarf von rund 32 860.
Sven Zimmerschied von der Vereinigung der Schulleiter von Sekundarschulen (BISSS) bestätigte, es gebe bereits ein massives Personalproblem. »Es ist dramatisch. Berlin muss endlich wieder verbeamten«, sagte er. Stellen mit klassisch ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, sei schon jetzt oft unrealistisch. Und für die Zukunft sieht der Leiter einer Integrierten Sekundarschule in Charlottenburg ebenfalls schwarz: »Das Problem wird immer größer.«
Busse befürchtet gravierende Folgen: »Die Unterrichtsqualität leidet«, sagte die Leiterin einer Grundschule in Neukölln. Dabei sei es ohnehin schwierig genug, die Lernrückstände durch die Pandemie aufzuholen. In Berlin werden Lehrkräfte seit 2004 nicht mehr verbeamtet - anders als in allen übrigen Bundesländern.
Die Ausbildung von Lehrkräften in der Hauptstadt sei anerkanntermaßen gut, betonte Busse. »Dann kommt der Tag des zweiten Examens, und dann sagt uns die Kollegin: ›Es war schön bei Ihnen, ich bedanke mich, aber ich bleibe nicht in Berlin‹«, erzählte sie von ihren Erfahrungen. Viele junge Lehrkräfte gingen dann einfach ins Nachbarland Brandenburg.
Arnd Niedermöller, Sprecher der Vereinigung der Oberstudiendirektoren (VOB) in Berlin, wies darauf hin, dass Berlin unbedingt Lehrkräfte aus anderen Bundesländern gewinnen müsse. Die Situation an den Gymnasien sei zwar »ein klein wenig entspannter«. Aber auch dort gebe es Fächer, für die kaum Pädagogen zu finden seien.
Die Stellen mit Quereinsteigern zu besetzen, die ursprünglich nicht auf Lehramt studiert haben, ist aus Sicht der Schulleiter keine optimale Lösung. »Die Schulen sind zum Teil damit überfordert«, stellte Busse fest. In der Regel seien es nicht ein oder zwei Quereinsteiger, sondern viele - und die konzentrierten sich oft auch noch in Grundschulen an sozialen Brennpunkten. »Und das geht nicht«, so die Neuköllner Schulleiterin.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ist ebenfalls für die Verbeamtung von Lehrkräften. »Wenn außer Berlin alle anderen Bundesländer verbeamten, muss die Politik sich der Realität stellen«, teilte sie am Montag mit. Grüne und Linkspartei sind allerdings dagegen. Denn allein mit der Verbeamtung lässt sich der Lehrermangel nicht lösen. Laut Bildungsgewerkschaft GEW sind vor allem die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbesserungswürdig. Wer den Lehrerberuf attraktiver machen wolle, müsse die Arbeitsbelastung senken. Das könne schon dadurch passieren, dass Lehrkräfte von unnötigen Verwaltungsaufgaben entlastet werden. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.