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Reformbedarf nur überdeckt

Verband der gesetzlichen Kassen spricht von »goldenem Jahr der Krankenhausfinanzierung«

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

In den schwierigsten Zeiten der Corona-Pandemie standen vor allem die Intensivstationen der Krankenhäuser im Fokus der Aufmerksamkeit. Inzwischen werden die Kliniken insgesamt genauer unter die Lupe genommen - im Rahmen von jährlich wiederkehrenden Studien, dabei auch unter dem Aspekt, wie gut sie durch die Krisenmonate gekommen sind. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) fasste bei jenen Finanzierungsfragen nach, die unter anderem vor wenigen Tagen dem Bundesrechnungshof strittig erschienen.

Die gesetzlichen Kassen haben dazu beigetragen, dass die Finanzierung der Krankenhäuser in der Pandemie nie gefährdet war, erklärte GKV-SV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis am Mittwoch in Berlin. Sie spricht sogar von 2020 als einem »goldenen Jahr der Krankenhausfinanzierung«. Denn vergangenes Jahr seien pandemiebedingt fast elf Milliarden Euro zusätzlich in den Krankenhausbereich geflossen; bis zum 8. Juni dieses Jahres waren es insgesamt 14,73 Milliarden Euro. Neu sei hier die Durchmischung verschiedener Finanzierungswege: Sowohl der Bund als auch die GKV (über den Gesundheitsfonds) sicherten die Pandemie-Ausgaben in der stationären Versorgung - und vermutlich noch etliches darüber hinaus.

Eigentlich, so merkt Stoff-Ahnis dazu an, läge der Sicherstellungsauftrag im Pandemiefall bei den Bundesländern, diese wurden aber im Fall der Kliniken nicht auf ihre Verpflichtung festgenagelt. Die Krankenhäuser machten unter dem Strich 2020 ein Plus von 10,83 Milliarden Euro, das ist ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 15 Prozent. Andererseits gingen die Fallzahlen aller Behandlungen 2020 um 13 Prozent zurück. Insofern spricht auch die Juristin von einer »Überkompensation« - die Maßnahmen im Rahmen des Rettungsschirms für die Krankenhäuser seien über das Ziel hinausgeschossen. Sie sieht, ähnlich wie es der Bundesrechnungshof formulierte, »unerwünschte Mitnahmeeffekte«.

Jetzt hingegen müsse man zur Realität zurückkehren. Ein Punkt dabei sei, Klarheit in Sachen Intensivbetten zu erreichen: »Die GKV kann nicht nachvollziehen, in welchen Krankenhäusern die zusätzlichen Intensivbetten eingerichtet wurden.« Auch das im März 2020 eingerichtete Divi-Intensivbetten-Register leiste das nicht.

Das Problem bei der »Zusatz- und Übergangsfinanzierung« der Krankenhäuser sei jedoch, dass diese den vorhandenen Reformbedarf überdecke. Der Fallzahlenrückgang war zwar in den Wochen der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020 mit etwa 30 Prozent am stärksten, er blieb aber dann auch weiter kontinuierlich bei 10 Prozent. Es kamen also auch dann weniger Patienten in die Krankenhäuser, als sie nicht mehr aus Pandemiegründen von diesen ferngehalten wurden.

Eine zu geringe Auslastung war bereits lange vor Corona festzustellen, so Stoff-Ahnis. Sie lag 2019 bei etwa 75 Prozent und war schon in diesem Jahr am niedrigsten in den Bereichen der Intensivversorgung. Bei den somatischen Erkrankungen allgemein waren die Krankenhausbetten 2020 nur zu 67 Prozent ausgelastet. Covid-19-Patienten belegten 2020 zwei Prozent aller Krankenhausbetten und vier Prozent aller Intensivbetten. Auch diese Zahlen sind für den Spitzenverband Argument dafür, dass die Finanzierung aus der Pandemiezeit nicht zementiert werden dürfe. Die Freihaltepauschalen liefen in dieser Woche bereits aus, sie wurden von anfangs 560 Euro pro Bett und Tag auf ein stärker differenziertes Stufenkonzept angepasst.

Für die nötigen Strukturreformen bei der stationären Versorgung seien zunächst ausreichend gute Daten nötig, hier könne das Divi-Register als Vorbild genommen und auf alle Krankenhausbereiche ausgeweitet werden. Eine solche tagesaktuelle Registrierung hält Stoff-Ahnis für bürokratiearm.

Weitere Daten zu einer möglichen Reform liefert der am Mittwoch in Berlin vorgestellte Krankenhaus-Rating-Report, der sich traditionell auf die Finanzberichte der Kliniken bezieht. Wissenschaftler wie Mitautor Sebastian Krolop sehen die mögliche Überbezahlung der Krankenhäuser nicht so sehr als Problem - dieser »warme Regen« sei nicht nachhaltig. 2019 sei bereits ein schwieriges Jahr gewesen, spätestens 2022 dürften die Häuser wieder dort stehen. Nur 67 Prozent hätten damals schwarze Zahlen geschrieben.

Ko-Autor Boris Augurzky vom RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hält eine weitere Umschichtung von leichten Behandlungsfällen in den ambulanten Bereich für möglich. Genau dieses Potenzial thematisierte auch der GKV-Spitzenverband. Die Zahl der Behandlungsfälle mit nur ein bis zwei Tagen Krankenhausaufenthalt sei seit 2005 kontinuierlich gewachsen. In der Pandemie hätten diese Fälle um fast 30 Prozent abgenommen. Noch wisse niemand, ob das so bleibe. Die gesetzlichen Kassen könnten sich hier durchaus für noch mehr Anreize in Sachen ambulanter Behandlung erwärmen.

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