Ökologischer Aufwind oder heiße Luft?

Die Bundesregierung lädt erneut zu einem Luftfahrtgipfel ein und verspricht weitere Unterstützung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Ausgerechnet am BER, dem Skandal-Airport schlechthin, sollen Kanzlerin Angela Merkel, ihr Parteifreund und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erklären, wie man der von den Folgen der Corona-Pandemie schwer getroffenen Luftfahrtbranche wieder Wind unter die Flügel bläst. Doch vielleicht ist gerade dieser Hauptstadt-Flughafen, der um Jahre verspätet an den Start ging, noch immer von Pannen geplagt wird und der Insolvenz näher ist als den ersten Gewinn-Euros, der geeignete Ort, um über die Zukunft der deutschen Luftfahrt insgesamt zu reden.

Airlines wie Flughäfen hoffen derzeit auf wachsende Nachfrage. Wenn nur genügend Menschen gegen Covid-19 geimpft sind, werde sich der zuletzt stets steigende Trend zu ungehinderter Mobilität sicher wieder einstellen, hoffen die Planer. Und mit ihnen die 300 000 direkt an deutschen Flughäfen, bei Airlines, in der Flugsicherung und bei den Herstellern von Luftfahrterzeugnissen Beschäftigten. Auf jeden von ihnen kommt mindestens eine oder einer, die bei Zulieferbetrieben jeglicher Art arbeiten. Noch aber hat die Pandemie sie alle im Würgegriff.

Eurocontrol, die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, veranstalteten vom 2. bis 8. Juni eine sogenannte Referenzwoche. Laut dem Bericht führten die Airlines täglich rund 2500 Flüge von und nach Deutschland durch. Das ist im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ein Rückgang von knapp 60 Prozent. Aktuell lag Lufthansa mit über 500 Flügen an der Spitze. Die Konzerntochter Eurowings belegt Platz zwei mit 159 Flugbewegungen. Es folgt Ryanair mit 120 Flügen. Alle drei Airlines boten dabei im Schnitt rund 70 Prozent weniger Flüge an als vor der Pandemie.

Eurocontrol entwickelte drei Szenarien zu einer möglichen Erholung des Luftverkehrs in Deutschland. Fall 1: Die meisten Bürger werden noch 2021 geimpft. Dann wäre der Flugverkehr 2024 wieder auf dem Niveau von 2019. Szenario 2: Wird das Impfprogramm erst 2022 abgeschlossen, dauert die Erholung bis 2025. Anderenfalls, also ohne einen erfolgreichen Verlauf der Impfkampagne, würde das Luftverkehrsniveau 2024 noch immer bei rund 68 Prozent liegen. Was Ökologen und anderen Kritikern der Branche gefallen würde. Doch nicht nur sie beschwören die Verantwortlichen mit Verweis auf allerlei Studien: So wie der Luftverkehr vor der Pandemie war, darf er nicht mehr sein, denn: Das halte das globale Klima nicht aus.

Der von der Pandemie erzwungene Niedergang hat bereits zu einer erheblichen Marktbereinigung und damit in zahlreichen Ländern zu großen sozialen Problemen geführt, weil Zehntausende hoch qualifizierte Mitarbeiter entlassen wurden. Auch die Lufthansa, die mit neun Milliarden Euro aus einem staatlichen Rettungspaket über die Krise gehoben wurde, macht da keine Ausnahme.

Eingesetzt hat auch ein großes Artensterben. Vierstrahler sind als Kerosinfresser zu unwirtschaftlich und daher out. Jahrzehntelang galt Boeings 747 als Königin der Lüfte, nun wurde sie von diesem Thron gestoßen. Auch der Airbus A 340 steht auf der Abstellpiste. Die Produktion des A 380 musste im Frühjahr mangels Kunden eingestellt werden. Bereits beim letzten Nationalen Luftfahrtgipfel, der vor dem Hereinbrechen der Pandemie stattfand, war klar: Weiter wie gehabt geht nicht. Während in der Gesellschaft erstmals der Begriff »Flugscham« die Runde machte, kündigte die Kanzlerin an, Deutschland zu einem führenden Standort für klimaverträgliches Fliegen zu machen. »Wir glauben, dass neue Technologien für Klimaschutz für Deutschland auch eine wirtschaftliche Chance sind«, so Merkel.

Verkehrsminister Scheuer versprach eine gezielte Nutzung der Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer für die Forschung. Die Ergebnisse sind - unabhängig von Corona - bescheiden geblieben. Etwa bei Airbus: Der europäische Luftfahrtkonzern gab im Dezember 2020 kund, bereits in 15 Jahren ein Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb zu bauen. »Unser Ehrgeiz ist es, eine solche Maschine als erster Hersteller 2035 in Betrieb zu nehmen«, tönte Konzernchef Guillaume Faury. Ein halbes Jahr später kam heraus, dass es sich allenfalls um ein sehr kleines Kurzstreckenflugzeug handeln könne. Die meisten Verkehrsflugzeuge würden dagegen noch bis mindestens 2050 auf herkömmliche Antriebstechnologie angewiesen sein. Selbst wenn man hinzurechnet, dass Triebwerke noch sparsamer werden und man auch durch neue Kerosinbeimischungen effizienter fliegen kann, lassen sich so die notwendigen Klimaziele nicht erreichen.

Die Grünen fordern derzeit in ihrem Kanzlerin-Wahlkampf ebenso wie Linke, dass man auf Kurzstreckenflüge ganz verzichten solle. Nur eine Frage wird kaum gestellt: Was sind eigentlich Kurzstreckenflüge? Alles um die 1000 Kilometer, lautet die Antwort von Experten. Selbst wenn man einen Rückgang der Buchungen durch die Nutzung der in der Pandemie erprobten globalen Kommunikationsmöglichkeiten annimmt, bleiben die Möglichkeiten der Bahn als wichtigster Transporteur von Personen und Gütern deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es wird dank der schwarz-roten Verkehrspolitik noch Jahre dauern, bis sie eine adäquate Beförderungsleistung stemmen kann. Die Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft national und ohne die der anderen relevanten Verkehrsträger zu betrachten, hilft also wenig. Bleibt abzuwarten, ob der diesjährige Nationale Luftfahrtgipfel am BER etwas in Fahrt bringt oder doch nur heiße Luft verbreitet.

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