Die Polizei in Hessen - keine Einzeltäter

Immer wenn CDU-Innenminister Peter Beuth einen Polizeiskandal beenden will, ploppen zwei neue auf

  • Stephan Anpalagan
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hätte so schön sein können. Ein Einzeltäter. Aus Berlin. Ohne jeglichen Polizeibezug. Man konnte die Freude, die Erleichterung und den Druckabfall förmlich spüren als Peter Beuth die Ermittlungsergebnisse im Fall des sogenannten NSU 2.0 präsentierte. »Nach allem, was wir heute wissen, war nie ein hessischer Polizist für die ’NSU 2.0’-Drohmailserie verantwortlich«, erklärte der hessische Innenminister mit einer gewissen Genugtuung. Die hessische Polizei sei vollumfänglich entlastet.

Mit diesem Ermittlungsergebnis wollte Beuth die zahlreichen Skandale und Anschuldigungen gegen die hessische Polizei abräumen, denen er immer weniger Herr zu werden schien. Der NSU 2.0 war gewissermaßen nur die Spitze eines Eisberges, der alles in sich vereinte, was in der deutschen Polizei derzeit aus dem Ruder läuft. Rassismus, Rechtsextremismus, Polizeigewalt, Machtmissbrauch und die jahrelange Straf- und Konsequenzenlosigkeit polizeilichen Handelns.

Stephan Anpalagan
Stephan Anpalagan ist Journalist und Musiker. Seine Texte haben den Schwerpunkt Rechtsextremismus. Anpalagan ist zudem Geschäftsführer der gemeinnützigen Unternehmensberatung „Demokratie in Arbeit“. Für "neues deutschland" schreibt er die monatliche Kolumne „Der Feind steht rechts“.

Da wäre dieser eine Polizist aus Osthessen, der bei einer Ermittlung gegen das Neonazi-Netzwerk »Aryans« auffiel, weil er deren Mitgliedern polizeiinterne Informationen weitergegeben haben soll. Mindestens zweimal soll das »Aryans«-Mitglied Martina H. gefragt haben, ob er ihr Informationen aus einer Datenbank der Polizei beschaffen könne. Kurze Zeit später finden sich diese Informationen in einem Chat zwischen ihr und dem Polizisten. Dieser Polizist gehört aber nicht zu den beiden Polizisten, gegen die wegen einer besonderen Nähe zu den sogenannten »Reichsbürgern« ermittelt wird. Alle drei Polizisten gehören wiederum nicht in den Komplex der »NSU 2.0«-Ermittlungen, die Peter Beuth eigentlich für beendet erklären wollte.

Was Beuth leider vergaß zu erwähnen: Im Rahmen der »NSU 2.0«-Ermittlungen stießen die internen Fahnder auf eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen »Itiotentreff«, in dem sich hessische Polizisten Hitlerbilder, Bilder von KZ-Häftlingen, Bilder von Menschen mit Down-Syndrom und Bilder von ertrunkenen syrischen Kindern hin und herschickten und menschenverachtend kommentierten. Als man im Rahmen der »Itiotentreff«-Ermittlungen die einzelnen Mitglieder dieser Polizei-Chatgruppe ins Visier nahm, stieß man auf zwei Brüder, die bereits in der Vergangenheit mit rechten Grenzüberschreitungen aufgefallen sind. Als die Fahnder deren Wohnungen und Grundstücke durchsuchen, finden sie eine Scheune, die sie später als »Nazi-Museum« bezeichnen.

Es waren hessische Ermittler, die im Prozess um den Mordfall Walter Lübcke die Aufklärung behinderten, weil sie Akten vernichtet haben und das als Beweis gesicherte Projektil verschwinden ließen.

Es waren vier hessische Polizisten, die einen Deutschen äthiopischer Herkunft erst rassistisch beleidigen und anschließend krankenhausreif schlagen. Genauso wie es zwei hessische Polizisten sind, die einen Deutschen marokkanischer Herkunft rassistisch beleidigt und anschließend krankenhausreif schlagen. Dessen Anzeige sowie die Fotos von seinen Verletzungen, sind laut Polizei auf dem Revier »verloren gegangen«.

Das ist leider auch so ein Problem mit der hessischen Polizei, dass sie dauernd Beweismittel verliert, schreddert oder löscht, wenn man daraus Ermittlungen gegen die eigenen Beamten ableiten könnte. Alles versehentlich natürlich.

Wie im Fall der hessischen Polizei Idstein, wo Polizisten einen Mann derart fixierten, dass dieser mehrfach panisch »Ich krieg keine Luft« schrie. Der Anwalt des Betroffen, der einen sehr konkreten Verdacht hatte, was mit dem Video der Überwachungskamera passieren würde, rief in der Polizeiwache an, um die Sicherung des Überwachungsvideos anzumahnen, nur um wenige Tage später festzustellen, dass die Polizei leider vergessen hat das Video zu sichern. Nun sei es fort. Was zum Tatzeitpunkt geschehen ist, werde man wohl leider niemals herausfinden können.

Dabei ist die hessische Polizei durchaus in der Lage gegen kriminelle Verbrecher zu ermitteln. Zumindest dann, wenn diese dadurch auffallen, dass sie die Arbeit der Polizei kritisieren. Wie im Fall von Timo Schadt, dessen einziges Vergehen darin bestand einen Zeitungsartikel zu verlinken, der über die Todesschüsse der Polizei gegen Geflüchteten berichtet. Noch einmal zum Mitschreiben: Schadt hat den Artikel nicht geschrieben, er ist Admin einer Facebook-Gruppe, in der dieser Artikel verlinkt wurde. Das wiederum reichte der Polizei, um dessen Wohnung zu durchsuchen, sich mit dessen Facebook-Zugangsdaten anzumelden und Facebook-Post im Beisein von Schadt zu löschen.

Nun stellt sich in neuesten Veröffentlichungen heraus, dass mindestens 50 (!) Polizistinnen der hessischen Polizei in einer weiteren (!) WhatsApp-Gruppe menschenverachtendes und rechtsextremes Material miteinander geteilt haben sollen. Dass die rechten Strukturen derart tief in der Polizei etabliert sind, dass das gesamte SEK Frankfurt aufgelöst werden muss. Dass 13 Polizisten, die Mitglied dieser Chatgruppe waren, auch in der Tatnacht des Terrors in Hanau Dienst taten.

All das konnte Peter Beuth für einen kurzen Moment hinter sich lassen, konnte die rechtsextremen Strukturen in seiner Polizei für einen Augenblick vergessen, als er den Einzeltäter aus Berlin ohne jeglichen Polizeibezug präsentierte.

Es hätte so schön sein können.

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