Mein Freund, der Baum

Ob Stadtbäume oder Stadtwald - der Berliner Baumbestand steht unter Stress

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 3 Min.

Den 16.000 Straßenbäumen in Friedrichshain-Kreuzberg geht es dramatisch schlecht. »Wir haben eine katastrophale Situation«, sagt Felix Weisbrich, von Beruf Förster und seit Anfang 2019 Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Ein Viertel der Bäume im Bezirk seien bedroht. Damit steht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg exemplarisch für die ganze Stadt. »Eigentlich ist das Gießen dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein«, so Weisbrich »Wir werden damit die Klimakatastrophe nicht aufhalten.« Vor allem jüngeren Bäumen könne man zwar damit helfen, doch die Herausforderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, seien viel größer. Der Förster meint damit unter anderem den Umbau des urbanen Raumes hin zu »deutlich mehr grüner Infrastruktur«.

Bis es so weit ist, rechnet Weisbrich mit deutlich weniger Straßenbäumen im Stadtbild. »Im vergangenen Jahr mussten wir 222 Bäume fällen, und einfach nur Bäume neu pflanzen, wird die Klimakatastrophe auch nicht aufhalten.« Das Problem sitzt unter der Erde. Oftmals konnten gerade die alten Bäume nicht tief genug wurzeln, weil sie auf bauliche Barrieren gestoßen sind. In Berlin gab es nach dem Krieg etliche Lagen Schutt im Boden. »Wir sehen das jetzt an den Wurzelhebungen auf vielen Wegen«, so Weisbrich. Was es brauche, seien klimafeste Pflanzgruben und nachhaltige Bewässerungssysteme. »Mit Trinkwasser Bäume zu gießen ist auf Dauer auch kein nachhaltiges Konzept.«

»Wir können ja nicht einfach den Wald gießen«, sagt Peter Harbauer, Förster bei den Berliner Forsten in Friedrichshagen. Auch dem Berliner Stadtwald geht es mies. Nur sieben Prozent der Bäume sind ohne Schäden. Ein historischer Tiefststand. »Wir leben seit vier Jahren in einer Dürre«, betont der Förster. Es fehle vor allem der Niederschlag im Winter. »Da geht die Kurve ganz weit nach unten im Vergleich zu vergangenen Jahren, und so füllen sich die Wasserspeicher auch gar nicht mehr genügend auf.« Und der Regen in diesem Frühjahr hat die Situation dabei keinesfalls verbessert.

»Wenn es regnet, dann haben wir oftmals diese Starkregenphänomene, es kommt dann jede Menge Niederschlag innerhalb kurzer Zeit«, so Harbauer. »Wenn der Boden das Wasser nicht speichern kann, fließt es oberflächlich ab und ist nicht nutzbar.«

Es gebe dabei einen klaren Zusammenhang zwischen zu wenig Niederschlag und zu hohen Temperaturen. »Bei hohen Temperaturen ist die Verdunstung im Wald viel, viel höher«, so der Förster. Im vergangenen Jahr hat sich der Zustand der Berliner Wälder nochmals verschlechtert. »Der Wald ist seit Jahren im Stress«, sagt Harbauer. »Das Absterben der Bäume geht dann oftmals innerhalb eines Sommers relativ schnell.« Nach drei Jahren mit langen Trockenheitsperioden und großer Hitze sind im Berliner Stadtwald insbesondere Kiefern betroffen. Sie machen 60 Prozent der Berliner Waldbäume aus.

Von einer Jahrhundertaufgabe für Berlin sprechen auch die Berliner Forsten, was die Wiederherstellung der Wälder in den kommenden Jahrzenten betrifft. Immerhin ein Fünftel der Hauptstadt ist bewaldet. »Wir sind jetzt aufgefordert, den Wald für die Zeit in 100 Jahren zu schaffen«, sagt Förster Harbauer. Der Wald werde sich dabei verändern. Weg von instabilen, für Krankheiten und Waldbrände anfälligen Kieferbeständen, hin zu stabilen Laubmischwäldern. »Wir suchen Baumarten aus, die mit weniger Niederschlag und höherer Durchschnittstemperatur umgehen können.« Im Berliner Forst darf nur gepflanzt werden, was auch hier in der Region heimisch ist. »Das wird auf Eiche oder Buche hinauslaufen«, so Harbauer. Im vergangenen Herbst wurden davon 425 000 Bäume und Sträucher gepflanzt, darunter auch Linden und Ahorne. Bis Ende 2021 stehen den Berliner Forsten nochmals zusätzlich drei Millionen Euro zur Verfügung.

Der Innenstadt-Förster Weisbrich ist überzeugt, dass auch die Innenstädte einen wichtigen Beitrag in der Klimakrise leisten müssen. »Wir werden viele Jahre, viele Millionen Euro brauchen, um die Berliner Stadtnatur wirklich klimaresilient zu machen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -