- Politik
- Australian Club
Privileg weißer Männer
In Australien trifft sich die männliche Elite in einer geheimnisumwobenen Gesellschaft, Frauen bleibt die Mitgliedschaft weiter verwehrt
Eine ganze Reihe Reporter hatte sich vergangene Woche vor dem elitären Australian Club in der Innenstadt von Sydney aufgebaut. Wer dort Mitglied ist, hat es geschafft - er ist Richter im Obersten Gerichtshof, ehemaliger Premierminister oder in den obersten Rängen der wichtigsten Firmen im Land vertreten. Außerdem ist er männlich und meistens weiß.
Zumindest Ersteres sollte sich nun dringlichst ändern, fand eine rebellische Gruppe im Club, die jetzt im 21. Jahrhundert den »waghalsigen Vorschlag« auf den Tisch brachte, künftig auch Frauen im Club aufzunehmen. Diese dürfen den Club bisher zwar betreten und sich unter die Elite des Landes mischen, jedoch nur in Begleitung eines männlichen Mitglieds. Mitglied konnten sie bisher selbst nicht werden.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Dies hatte der Club bereits bei seiner Gründung 1838 so festgelegt. Auch für Männer ist die Aufnahme im Australian Club - dem ältesten Gentlemen’s Club der südlichen Hemisphäre - nicht einfach. Wer Mitglied werden möchte, muss offiziell dazu eingeladen werden. Es müssen mehrere Referenzen von bestehenden Mitgliedern vorliegen und zusätzlich dazu müssen sich Clubanwärter einem intensiven Interviewprozess unterziehen. Auch die Mitgliedschaft soll laut lokaler Medienberichte eine vierstellige Summe pro Jahr kosten. Zudem hat der Club eine strenge Kleiderordnung - Mitglieder müssen stets im Anzug mit Krawatte erscheinen.
Eine Wahl sollte nun entscheiden, ob Frauen Mitglieder in den heiligen Hallen in der Macquarie Street im Herzen Sydneys werden dürfen. Eine kontroverse Abstimmung, die sich kaum ein Mitglied entgehen lassen wollte. Rund 700 Männer bahnten sich vergangene Woche deswegen ihren Weg vorbei an neugierigen Journalisten, die gerne die Meinung des einen oder anderen erfahren hätten - doch Verschwiegenheit gehört zu dem geheimnisumwobenen Club genauso wie der Rest der strengen Regeln.
Eine gewisse Ironie blieb aber den ehrwürdigen Herren auf ihrem Weg zur Abstimmung nicht verborgen, schreibt der »Sydney Morning Herald«. Denn sie alle mussten am Porträt der britischen Königin Elisabeth II. vorbei, die bekanntlich ja auch Australiens Staatsoberhaupt ist - ein Staatsoberhaupt, dem die Clubregeln die Mitgliedschaft jedoch verwehren würden.
Laut australischen Medien wurden letztendlich 693 Mitgliederstimmen abgegeben: 62 Prozent davon stimmten gegen die Zulassung weiblicher Mitglieder und nur 37 Prozent dafür; ein Prozent enthielt sich der Stimme. Damit bleiben Frauen weiterhin draußen - eine Entscheidung, auf die viele Anwärterinnen mit Verärgerung reagierten. So sagte Daisy Turnbull, deren Vater Malcolm (ein früherer australischer Premierminister) wie auch andere Vorfahren der Familie seit langem Mitglieder des Clubs sind, dass der Club sich damit auf die »falsche Seite der Geschichte« stelle. »Ich würde es hassen, Mitglied zu sein und meinen Töchtern erklären zu müssen, warum nur ihre Brüder gut genug sind, Mitglied des Clubs zu werden«, sagte sie mit einem Seitenhieb auf ihren prominenten Vater.
Auch die Kommentarspalten im Internet füllten sich nach der umstrittenen Entscheidung mit kritischen Stimmen. So schrieb eine Internetnutzerin, dies sei ein trauriger Tag für Australien und lasse das Land zurück anstatt nach vorne blicken. Ein weiterer User kommentierte mit den sarkastischen Worten: »Die Welt dreht sich weiter und Dinosaurier sterben aus.«
Ein anderer Kommentator sah den Club als logische Konsequenz einer Kultur, die durch die getrennten Mädchen- und Jungenschulen im Land geschaffen werde. Dieser Geschlechtertrennung geben auch viele die Schuld für den Sexismus und die zahlreichen sexuellen Übergriffe im Land, die zuletzt selbst aus dem Parlament in Canberra berichtet wurden. So behauptete eine Frau, 2019 von einem männlichen Kollegen im Büro einer Ministerin vergewaltigt worden zu sein.
Außerdem wurde der australische Justizminister in einem anonymen Brief einer Vergewaltigung bezichtigt, die er als Teenager begangen haben soll. Er wurde inzwischen in ein anderes Ministerium versetzt. Wie tief das Problem in der Gesellschaft verwurzelt ist, zeigte vor kurzem eine Petition junger Frauen, die Tausende Geschichten ans Tageslicht brachte, in denen junge Frauen sexuelle Übergriffe auf sie beschrieben. Die mutmaßlichen Täter sollen vor allem Schüler teurer Privatschulen sein.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.