Aufrüstungswahn in der Kritik

In Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Bundestags mehrt sich Kritik am Rüstungsprojekt FCAS. Wird es dennoch durchgedrückt?

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bin wirklich besorgt über diesen Aufrüstungswahn von CDU/CSU und SPD«, sagt Gesine Lötzsch. »Ein neues Wettrüsten macht unsere Welt nicht sicherer, sondern unsicherer«, so die Obfrau der Linksfraktion im Haushaltsausschuss des Bundestages, gegenüber »nd«.

Am Rüstungsprojekt FCAS, dem geplanten zukünftigen Luftkampfsystem, entzündet sich immer mehr Kritik in Haushalts- und Verteidigungsausschuss. Es soll noch an diesem Mittwoch beschlossen werden. Das Verteidigungsministerium zeigt sich damit immun gegenüber der Kritik aus dem Beschaffungsamt der Bundeswehr sowie Bedenken des Bundesrechnungshofes: »Wir halten das Projekt in dem Status, wie es jetzt ist und für die Anteile, die vorgelegt werden, auch für genehmigungsfähig unter Berücksichtigung eines internationalen Risikomanagements«, erklärte ein Bundeswehr-Sprecher in dieser Woche. Gesine Lötzsch zweifelt daran, dass die Bundeswehr über die notwendigen Kompetenzen verfügt, das Milliardenprojekt überhaupt organisieren und verhandeln zu können. Das führe zu immer weiterem Finanzbedarf, weil Waffen und Gerät bei der Bundeswehr nicht einsatzfähig seien. »Die Waffen funktionieren nicht, weil sich die Generäle von der Rüstungsindustrie immer wieder über den Tisch ziehen lassen«, so Lötzsch.

Andere Rüstungsprojekte wie der Schützenpanzer Puma, der mehrfach nachgebessert wurde, hätten gezeigt, dass die Generäle eher den Verkäufern der Industrie vertrauen als sachkundigen Prüfern. Nicht nur die 4,5 Milliarden für FCAS, sondern auch das Geld für die weiteren 26 Rüstungsprojekte in Höhe von rund 18 Milliarden Euro sähe Lötzsch lieber anderweitig investiert: »Das ist ungefähr die Summe, die wir in einem Jahr für Wissenschaft und Forschung ausgeben.«

Vor den Beratungen im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss über das geplante Luftkampfsystem FCAS warnte die SPD-Abgeordnete Nina Scheer vor der Genehmigung des Projekts. »Nach jetzigem Stand der Dinge existiert kein fertiges Konzept für FCAS«, erklärte sie am Dienstagabend. »Alle zur Verfügung stehenden Informationen deuten darauf hin, dass das Projekt sicherheitstechnisch verfehlt und damit ein Milliardengrab wird«, warnte Scheer unter Verweis auf Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes und des Bundeswehr-Ausrüstungsamts. Ob Scheers Ansicht in SPD-Kreisen verfängt oder ob sich die Rüstungsbefürworter*innen durchsetzen werden, ist derzeit indes nicht absehbar. Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner erklärte, grundsätzlich sei es sinnvoll, ein Kampfflugzeug gemeinsam in Europa zu bauen. »Dies kann und darf jedoch kein Freibrief für schlechte Vertragsbedingungen sein.« Er warnte mit Blick auf ein Transportflugzeug und einen Hubschrauber: »Zukünftige europäische Rüstungsvorhaben dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit – wie beim A400M oder NH90 – wiederholen.« Es sei »äußerst befremdlich«, dass der Haushaltsausschuss nun Gelder freigeben solle, ihm jedoch keine endverhandelten Verträge vorlägen. »Dies ist ein für Rüstungsvorhaben einmaliger und inakzeptabler Vorgang«, so Lindner. Die Bundesregierung wälze Verantwortung auf den Bundestag ab.

Attac kritisiert Rüstungsprojekt - Deutschland will 100 Milliarden Euro in Luftwaffensystem stecken

FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber betonte die Wichtigkeit des Projektes, sprach sich aber zum jetzigen Stand gegen den Beschluss aus. »Jetzt dieses milliardenschwere Rüstungsvorhaben mit der heißen Nadel zu stricken, gar ohne vorliegenden Vertrag, wird dem Anliegen nicht gerecht und birgt gravierende Risiken.«

Wie wichtig es ist, das Projekt FCAS beim derzeitigen Stand nicht freizugeben, zeigt nach Ansicht von Gesine Lötzsch das Beispiel Eurofighter: »Das Spiel kennen wir. Wenn dann die Verträge geschlossen sind, ist es egal, welche Regierung am Ruder ist. Unsere Ausstiegsforderungen wurden immer von den unterschiedlichen Regierungen abgelehnt, weil die Vertragsstrafen absurd hoch gewesen wären.«

Nach Informationen der »Zeit« gilt FCAS im Verteidigungsministerium als »Zombie-Projekt«, das seit Jahren immer wieder auftauche und vor allem politisch gewollt sei. Die Linke-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen sieht in FCAS vor allem einen »Friedenskiller«. Wirtschaftlich sei es der »Berliner Flughafen der Rüstungsindustrie«, erklärte sie.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -