• Berlin
  • Parkraumbewirtschaftung in Berlin

Es gibt kein Recht auf Parkplätze

Mit konsequenter Parkraumbewirtschaftung soll der Pkw-Verkehr zurückgedrängt werden

  • Maximilian Breitensträter
  • Lesedauer: 5 Min.

Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik hat wenig Verständnis für das ständige Gezeter, sobald irgendwo in der Stadt eine neue Parkzone eingerichtet wird. »Es geht nicht, dass die wachsende Zahl an Autos kostenfrei auf den Straßen untergebracht wird«, sagt die Berliner Mobilitätsforscherin, denn: »Ein Auto, das auf der Straße herumsteht, ist der ineffektivste Verkehrsteilnehmer von allen. Das muss auch etwas kosten.«

Das sieht Christiane Heiß (Grüne), Bezirksstadträtin in Tempelhof-Schöneberg, genauso. Auch sie sagt klar: »Es gibt kein Grundrecht auf einen kostenfreien Autostellplatz auf öffentlichen Flächen.« Konkret bezieht sich Heiß dabei auf die Pläne des Bezirksamts, in den Vierteln rund um den Tempelhofer Damm künftig eine Parkraumbewirtschaftung mit Vignetten für Anwohnende und Ticketautomaten für Pendler*innen einzuführen. Eine Maßnahme, die wiederum mit einem insbesondere von der Bezirks-CDU als verkehrs- und wirtschaftspolitisches Teufelszeug gegeißelten Vorhaben verknüpft wird: der Verstetigung des bereits bestehenden Pop-up-Radwegs auf der Tempelhofer-Damm-Teilstrecke zwischen Alt-Tempelhof und Ullsteinstraße.

Zwei Meter breit soll die Radspur werden, vom Pkw-Verkehr mit Pollern abgetrennt. Die Arbeiten daran sollen zwar erst im Oktober abgeschlossen sein, doch schon jetzt mussten für die Radspur knapp 300 Autoparkplätze weichen. Die zuständige Bezirksstadträtin Heiß freut sich über die neue »Flächengerechtigkeit« auf dem Tempelhofer Damm. »Wir brauchen mehr Platz für die schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen auf unseren Straßen«, sagt Heiß.

Mit der Einführung der Parkraumbewirtschaftung zwischen Stadtautobahn A 100 und Teltowkanal soll - so wenigstens die Theorie - der Wegfall der Pkw-Stellplätze kompensiert werden. Derzeit sind die in dem Gebiet insgesamt vorhandenen knapp 9000 öffentlichen Stellplätze je nach Wochentag und Uhrzeit zu 85 bis 100 Prozent ausgelastet, Autofahrer*innen suchen nicht selten bis zu 30 Minuten einen Parkplatz - mit allen negativen Folgen, die der ständige Stop-and-go-Verkehr für die Anwohnenden hat. »Die Parkraumbewirtschaftung hilft uns, den Parksuchverkehr einzuschränken, den knappen öffentlichen Raum für Anwohnende und Gewerbetreibende zu sichern und ihn insgesamt besser auszunutzen«, ist Grünen-Politikerin Heiß überzeugt.

Mobilitätsforscherin Uta Bauer verweist in diesem Zusammenhang auf Statistiken, wonach ein privat genutzter Pkw im Schnitt rund 23 Stunden einfach nur rumsteht. Damit blockiere eine Privatkarre öffentliches Straßenland und wertvollen Platz, der im Sinne der Verkehrswende dringend für den Ausbau des Rad- und Fußverkehrs sowie für den Öffentlichen Personennahverkehr gebraucht werde. Die konsequente Parkraumbewirtschaftung innerstädtischer Bereiche könne, so Bauer, letztlich einen großen Beitrag dazu leisten, private Pkw mehr und mehr aus den Zentren der Metropolen zu drängen. »Das Parkraummanagement verteilt die Kosten für den Erhalt der Straßen gerechter und schafft zusätzliche Anreize für Pendler*innen, auf alternative Mobilitätsangebote umzusteigen.« Denn wer am Zielort mit Gebühren und Strafen bei Zeitverstößen rechnen muss, fahre eher mit Rad, Bus und Bahn, meint Bauer.

Dass eine konsequente Parkraumpolitik wesentlicher Bestandteil der Mobilitätswende sein muss, hat auch der Senat erkannt. Das von Rot-Rot-Grün auf den Weg gebrachte Mobilitätsgesetz schreibt bei der Verkehrsplanung den Vorrang von Fuß-, Rad- und öffentlichem Nahverkehr fest.

Damit möglichst viele Berliner*innen aber auf diese Verkehrsarten umsteigen, muss ihnen auch Platz gegeben werden. Bis 2024 will der Senat deshalb den gesamten Bereich innerhalb des S-Bahnrings zur Parkraumbewirtschaftungszone erklären - ein nicht nur zeitlich, sondern auch politisch ambitioniertes Ziel, liegt die Einführung der Zonen doch in der Hand der Bezirke. Für zünftige Konflikte dürfte freilich aber vor allem der erklärte Willen der Koalition sorgen, insgesamt eine »schrittweise und sozial verträgliche« Anhebung der Parkgebühren für Anwohner*innen durchzusetzen, sprich: Die Parkvignette soll teurer werden.

Im Vergleich mit anderen Städten sind die Anwohnerparkgebühren tatsächlich eher gering: Kostet die Vignette in der Hauptstadt momentan jährlich 10,20 Euro, sind es in München 30 Euro. In Kopenhagen liegt die Berechtigung zum Parken auf öffentlichen Straßen bei umgerechnet 158 Euro im Jahr, in Stockholm müssen Anwohnende pro Jahr sogar rund 827 Euro hinblättern.

Ginge es nach dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), würden auch in Berlin die Parkgebühren deutlich steigen. »Öffentlicher Raum ist ein wertvolles Gut und, ja, das muss auch im Sinne des allgemeinen Interesses angemessen bepreist werden«, sagt ADFC-Sprecherin Lisa Feitsch. Die Maßnahme müsse mit einem Parkraummanagement einhergehen, das die Flächen mutig umverteilt. »Der ADFC Berlin fordert, dass 60 000 Kfz-Parkplätze im öffentlichen Raum pro Jahr bis 2030 umgewandelt werden, um Verkehrsflächen neu zu verteilen und mehr Platz für klimafreundliche Mobilität zu schaffen«, sagt Feitsch. In diesem Sinne kurbele eine ausgedehnte Parkraumbewirtschaftung dann auch den Radverkehr an.

Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, unterstützt die Ausweitung des Parkraummanagements. »Es ist richtig, die Bereiche schrittweise auszuweiten und dadurch Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen«, sagt Ronneburg. Von einem knallharten Drehen an der Preisschraube bei Parkvignetten hält er indes wenig. »Ja, die Reduzierung von Parkplätzen ist politisches Ziel, aber wir müssen die Realität anerkennen, dass es auch in Zukunft Menschen geben wird, die auf ihr Auto angewiesen sein werden.« Die Mobilitätswende müsse man sozial gerecht gestalten. Und: Wenn Parken unattraktiv wird, gelte es zugleich, die Alternativen zu stärken. »Der Tempelhofer Damm mit seiner neuen Radspur ist dafür ein gutes Beispiel«, so Ronneburg.

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