GDL bereitet Bahn-Streiks vor

Arbeitsniederlegungen könnten nach Urabstimmung ab 9. August beginnen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bereitet sich auf massive Arbeitskämpfe bei der Deutschen Bahn vor. Am Donnerstag gab der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky in Berlin bekannt, dass Anfang Juli die Urabstimmung über Streiks eingeleitet wird. Die Auszählung soll am 9. August erfolgen, unmittelbar danach könnte es losgehen. Weselsky rechnet bei der Urabstimmung mit einer Zustimmung von über 90 Prozent, »denn bei den Kollegen kocht es«. Die Bahn-Beschäftigten, die während der Coronakrise Tag für Tag den Betrieb zu 100 Prozent aufrechterhalten haben, seien nicht bereit, sich mit Minusrunden abspeisen zu lassen, »während sich die Herren in der Teppichetage die Taschen mit millionenschweren Boni vollstopfen«. Für den strukturellen Schuldenberg seien weder Corona noch zu hohe Löhne verantwortlich, sondern »das jahrzehntelange Missmanagement und das Versagen der verantwortlichen Politiker«.

Die GDL hatte die Tarifverhandlungen am 7. Juni offiziell für gescheitert erklärt. Die Konzernspitze besteht auf einer Nullrunde für 2021 und einer Lohnerhöhung um 1,4 Prozent ab dem 1. Oktober 2022. Die Gewerkschaft hatte ihre Forderungen bereits reduziert und verlangt nun einen Tarifabschluss, der sich am Ergebnis für den öffentlichen Dienst orientiert. Der sieht eine mehrstufige Lohnerhöhung vor: 1,4 Prozent ab April 2021 und weitere 1,8 Prozent ab April 2022 sowie eine einmalige Corona-Beihilfe von 600 Euro.

Ferner wehrt sich die GDL gegen Forderungen des Konzerns, die Schichtpläne »flexibler« zu gestalten und den Anteil kurzfristig eingeteilter Schichten auf bis zu 40 Prozent zu erhöhen. Damit würden die in zähen Auseinandersetzungen erkämpften Fortschritte bei der Schichtplanung für die Kollegen mit einem Schlag zunichtegemacht werden, so Weselsky. Auf dem »Wunschzettel« der Arbeitgeber stünden auch Einschnitte bei der betrieblichen Altersversorgung. »Das ist mit uns nicht zu machen«, so der GDL-Vorsitzende. Die Bahn habe nun Zeit, bis zum Ende der Urabstimmung ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Geschehe dies nicht, sei man für einen Arbeitskampf »bestens gerüstet«.

Anders als bei früheren Auseinandersetzungen will die GDL auf kürzere, regional begrenzte Warnstreiks noch vor einer Urabstimmung diesmal verzichten. Zum einen müsse man »niemandem mehr beweisen, dass wir mit Streiks großen Druck ausüben können«, so Weselsky. Zum anderen wolle man juristischen Scharmützeln aus dem Weg gehen, denn die Bahn hat bereits angekündigt, gegen mögliche Warnstreiks mit einstweiligen Verfügungen vorzugehen.

Hintergrund des Konflikts ist das Tarifeinheitsgesetz, das der in einem Betrieb jeweils mitgliederstärksten Gewerkschaft die Tarifhoheit einräumt und das jetzt erstmals bei der Bahn zur Anwendung kommen soll. Mit der größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG hat die Bahn bereits einen Tarifvertrag abgeschlossen. Doch der Konzern besteht aus unzähligen Einzelbetrieben, und die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse sind bislang nicht abschließend geklärt.

Nach einer Urabstimmung habe man eine deutlich stärkere Rechtsposition, gibt sich Weselsky überzeugt. Zumal man in den vergangenen Monaten einen erheblichen Mitgliederzuwachs verzeichnet habe, auch in Berufsgruppen, die die GDL bislang nicht vertreten hat, wie Fahrdienstleiter, Werkstatt- und Netzmitarbeiter. Dennoch ist davon auszugehen, dass letztendlich Gerichte verschiedener Instanzen entscheiden werden, in welchem Umfang die GDL zu Arbeitskämpfen aufrufen darf. Ganz unterbunden werden können Streiks wohl nicht, denn in einigen Bahn-Betrieben, die für den Fahrbetrieb eine entscheidende Rolle spielen, ist die GDL die Mehrheitsgewerkschaft.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -