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Ein Herz für Turmfalken

Ein Berliner Krankenpfleger ist seit Jahrzehnten im Einsatz für die geschützten Stadtvögel

  • Anja Sokolow/dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie jagen gern Spatzen, fressen mitunter schon mal Dönerreste oder nisten in Blumenkästen auf Balkonen: »Die Berliner Turmfalken haben sich an das Leben in der Großstadt gewöhnt«, sagt Hobby-Ornithologe Stefan Kupko. Er und andere Ehrenamtliche haben derzeit viel zu tun: die Jungvögel müssen beringt werden. Kupko, im Hauptberuf Krankenpfleger in einer Vivantes-Rettungsstelle, beschäftigt sich schon seit 45 Jahren mit den Greifvögeln, inspiriert durch seinen damaligen Biologielehrer, einem Falkner. Der 58-Jährige beobachtet und beringt im Westteil der Stadt Vögel aus etwa 100 Nistkästen, die er zumeist auch selbst gebaut hat. Kupko wiegt, vermisst und beringt jeden einzelnen Vogel. Die wenige Wochen alten Tierchen wiegen weniger als 300 Gramm.

Teilweise untersucht er auch das Innenleben der Nistkästen, bestimmt die Federn der Beutevögel. »Wir haben so bereits 40 verschiedene Vogelarten als Beutetiere festgestellt«, so Kupko. Neben Federn und Dönerresten habe er auch schon Kotelettknochen, Reste von Eidechsen, Maulwürfen und in seltenen Fällen auch von Fledermäusen gefunden - ein bunter Speiseplan. Bei den Artgenossen auf dem Lande stünden vor allem Kleinnager wie Mäuse auf dem Speiseplan.

Die Ringe sind eine Art Reisepass für die Vögel. Sie geben Auskunft über Lebensdauer oder auch Vogelzug. Seine Daten sendet Kupko regelmäßig nach Halle, wo sie im Projekt Monitoring Greifvögel und Eulen Europas (MEROS) für Deutschland ausgewertet werden. Laut MEROS-Projektleiter Ubbo Mammen sind die Berliner Daten eine Besonderheit. Es sei die einzige Großstadt bundesweit, aus der solche Datenreihen kämen. »Außerdem ist die Datenreihe mit gut 30 Jahren eine der längsten«, so Mammen. »Hut ab vor dieser Leistung«, sagt er mit Blick auf Kupko. Mit etwa 480 Quadratkilometern sei seine Beobachtungsfläche auch sehr groß. Üblich seien eher 50 Quadratkilometer, oder auch 100 bis 200 Quadratkilometer.

»Ich habe ein großes Netzwerk. Umweltschützer vom Nabu, Anwohner oder auch Behörden melden mir immer wieder Brutplätze, da ich gar nicht alles allein überblicken kann«, erzählt Kupko.

Die Greifvögel bauen keine eigenen Nester, sondern suchen sich beispielsweise Nischen in Mauern. Insgesamt gebe es in Berlin zudem mehr als 300 Nistkästen, 70 Prozent der Turmfalken nisten laut Kupko in ihnen. Einige Kästen sind mit Kameras ausgestattet. Das Innenleben lässt sich im Internet verfolgen. »Weil wir so viele Kästen gebaut haben, entwickelt sich der Bestand so positiv«, sagt er. »2020 gab es mindestens 300 Paare in Berlin.« Aufgrund des milden Winters seien das Nahrungsangebot gut und die Verluste bei den Jungtieren relativ gering gewesen.

»Stefan Kupko konnte durch seine Markierungsarbeit, die die Vögel individuell wiedererkennbar macht, schön zeigen, dass die Berliner Stadtfalken nicht nur die «Abgedrängten» aus anderen Lebensräumen sind, sondern dass die Art sich sehr erfolgreich den Lebensraum Großstadt erschließen und hier einen gesunden Bestand aufbauen konnte, der sich offensichtlich auch alleine trägt«, sagt Wolfgang Fiedler von der Zentrale für Tiermarkierung »Vogelwarte Radolfzell« vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. Außerdem lasse sich mit den Berliner und anderen Daten gut belegen, dass Turmfalken durchaus wanderfreudig sein könnten: »Während ein Großteil der Vögel ganzjährig im selben Gebiet lebt, wandern einige im Winter nach Südwesten ab, manche bis Nordafrika«, so Fiedler.

Doch es lauern auch Gefahren in der Stadt: durch die zunehmende Verdichtung etwa. »Am gefährlichsten sind Häuser mit Glasfronten«, so Kupko. Erst kürzlich sei wieder ein Turmfalke gegen eine Glasfront geflogen und habe sich das Genick gebrochen. »Wir machen uns Sorgen, dass es durch die zunehmende Verdichtung der Stadt für Turmfalken auch schwerer werden könnte, Nahrung zu finden«, ergänzt Wildtierexpertin Katrin Koch vom Naturschutzbund.

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