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Etappensieg für Enteignungskampagne
Nach dem Begehren ist vor dem Entscheid: Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen übergibt weitaus mehr Unterschriften als nötig
»Hätte man uns vor drei Jahren nach den Chancen unsere Kampagne gefragt, hätten wir nicht gedacht, dass wir so gut dastehen«, sagt Jenny Stupka von der inzwischen deutschlandweit bekannten Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Und in der Tat sieht es gut aus für das Ziel der Initiative, profitorientierte Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin zu vergesellschaften. Bis Freitagnachmittag hatte Deutsche Wohnen & Co enteignen im Rahmen des gleichnamigen Volksbegehrens exakt 343 591 Unterschriften zusammenbekommen - fast doppelt so viel wie nötig gewesen wären, damit die Berliner*innen am 26. September parallel zu den Wahlen zum Bundestag, zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen in einem Volksentscheid darüber abstimmen können.
»Der Erfolg zeigt, dass viele einfach existenzielle Angst haben, ihr Zuhause zu verlieren und dass sehr viele bezahlbaren Wohnraum in Gemeineigentum überführen wollen«, sagte Stupka am Freitag zu »nd«, kurz bevor die Initiative der Landeswahlleiterin die Unterschriftenlisten überreicht. Zwei Wochen hat die oberste Berliner Wahlbehörde eigentlich Zeit, die Unterschriften auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Angesichts der letztlich mehr als beeindruckenden Übererfüllung des Plansolls an Unterschriften durch die nach Stupkas Angaben über 2000 Sammel-Aktivist*innen galt ein Scheitern des Volksbegehrens indes als unwahrscheinlich. Bereits am Freitagabend folgt die Nachricht der Landeswahlleiterin: Die Anzahl der gültigen Stimmen ist erreicht.
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Knifflig wird es für das Projekt Enteignung freilich erst, sollte dann auch der Volksentscheid im September erfolgreich sein. Denn der neue Senat wäre zwar damit aufgerufen, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Gezwungen wäre er dazu nicht. Beschließen müsste ein solches Gesetz ohnehin das ebenso neu zusammengesetzte Abgeordnetenhaus. Und hier lässt sich schon heute keine überwältigende Mehrheit für die mit Entschädigungen einhergehende Vergesellschaftung erkennen. Gleiches gilt für den aktuell regierenden rot-rot-grünen Senat.
Klare Rückendeckung für das Projekt Enteignung gibt es immerhin von der mitregierenden Berliner Linken. Erst Anfang dieser Woche hatte die Partei fast 33 000 selbst gesammelte Unterschriften der Initiative übergeben. »Das Mietenthema brennt den Leuten auf den Nägeln«, sagt Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken für die Abgeordnetenhauswahl. Allein die insgesamt zusammengekommen 343 000 Unterschriften »zeigen den Problemdruck«, so der Vizesenatschef und Kultursenator zu »nd«. »Ein Wunder ist das nicht, schließlich haben sich die Angebotsmieten in der Stadt in den letzten zehn Jahren verdoppelt.« Letztlich, so Lederer, sei es »enorm wichtig, dass die Debatte um die Frage, ob Wohnen ein Grundrecht oder eine Ware sein soll, überhaupt Fahrt aufnimmt«.
Das sehen die ebenfalls mitregierenden Grünen ähnlich. Auch Grünen-Landeschef Werner Graf betont, dass der Erfolg der Unterschriftensammlung »zeigt, wie viel Druck auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist«. Die Grünen, sagt Graf zu »nd«, »teilen die Analyse und das Ziel der Initiative, nämlich dauerhaft genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen«. Gleichwohl ist die Ökopartei nicht Feuer und Flamme für das eigentliche Anliegen von Deutsche Wohnen & Co enteignen. »Was die Vergesellschaftung anbelangt, sind wir gerade bezüglich der quantitativen Orientierung skeptisch. Es bleiben noch viele Fragen offen«, so Graf.
Nicht nur skeptisch, sondern vehement dagegen ist zugleich eine sehr breite Front aus CDU, FDP, AfD - und Franziska Giffey, der Spitzenkandidatin der SPD für die Wahl im September. Anlässlich des vom Zentralen Immobilien Ausschuss veranstalteten Tags der Immobilienwirtschaft wiederholte die Ex-Bundesfamilienministerin am Donnerstag noch einmal ihre Position: »Ich sage klar: Ich bin klar gegen Enteignungen. Enteignungen sind kein geeignetes Mittel, um mehr Wohnraum zu schaffen - dadurch entsteht keine einzige Wohnung.« Sätze, die sie so ähnlich schon häufiger gesagt hat und die auch von den Spitzenkandidaten des »bürgerlichen« Lagers, CDU-Landeschef Kai Wegner und FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja, hätten kommen können. Das gemeinsame Mantra: »Bauen, bauen, bauen« schafft neuen Wohnraum, dann steigen auch die Mieten nicht mehr. Der Markt regelt das.
Die Abwehrhaltung der Sozialdemokrat*innen gegen die Initiative im derzeitigen Berliner Wahlkampf scheint umso erstaunlicher, als jüngeren Umfragen im Auftrag des RBB zufolge 47 Prozent der Berliner*innen das Mittel der Vergesellschaftung befürworten. Ginge es nur nach den Mieter*innen der Stadt, gäbe es sogar eine absolute Mehrheit für Enteignungen. Besonders groß ist die Zustimmung bei den Jüngeren - unter den Befragten im Alter zwischen 18 und 39 Jahren finden 57 Prozent Enteignungen gut.
Die Berliner SPD-Spitze ficht dergleichen nicht an. Sie setzt stattdessen unter anderem auf den »Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen«. Den zumindest verkündeten Ende Mai Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) anlässlich der Fusion der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia. Teil des »Pakts« ist die Übernahme von rund 20 000 Wohnungen des neuen Großkonzerns durch städtische Wohnungsbaugesellschaften. Bei näherer Betrachtung handelt es sich hierbei allerdings nicht unbedingt um »Perlen« des Berliner Wohnungsbestandes.
Der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen hatte der etwas bizarre Auftritt von Müller und Kollatz auf der entsprechenden Pressekonferenz dann auch abermals Zulauf beschert, berichtet Stupka. Die Übergabe der Unterschriften des Volksbegehrens am Freitag bildet nun vor allem den Auftakt für den Wahlkampfmarathon der kommenden Wochen. »Schon jetzt sind wir mit unserer Initiative im Berliner Stadtbild sehr präsent«, sagt Stupka. »Wir werden da noch mal eine Schippe drauflegen.«
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