Bald deutsche Fregatten vor der Krim?

Marine will nicht länger als »zahnloser Tiger« wahrgenommen werden

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Mittwoch vergangener Woche verletzte der britische Zerstörer »HMS Defender« die russischen Seegrenzen südlich vor Sewastopol, behauptet das russische Verteidigungsministerium. Danach ging es hart zur Sache: Ein Grenzschutzschiff feuerte Warnschüsse ab und ein Suchoj-Marinekampfflugzeug warf dem britischen Kriegsschiff Bomben vor den Bug. Erst da drehte es ab.

Zunächst leugnete die britische Admiralität den Vorfall. Doch die Videos, die das russische Verteidigungsministerium veröffentlichten, waren eindeutig. Das Außenministerium in Moskau lud den britischen Militärattaché vor, anschließend auch die Botschafterin. Nun sind beide Seiten offenbar bemüht, den höchst brisanten Vorfall politisch »runterzukühlen«. Doch hinter den Kulissen geht das Kräftemessen weiter.

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Die russischen Streitkräfte sind nervös wegen des zweiwöchigen Manövers »Sea Breeze«, das in dieser Woche beginnt. Solche Übungen organisieren die USA gemeinsam mit der Ukraine seit 1997 im Schwarzen Meer. Doch diesmal bietet man mehr auf als gewöhnlich. Beteiligt sind rund 5000 Soldaten mit 32 Kriegsschiffen und 40 Flugzeugen aus 32 Ländern. Die »HMS Defender«, die gemeinsam mit der niederländischen Fregatte »Evertsen« Anfang Juni ins Schwarze Meer einfuhr, ist ein mit Raketen bestückter, hochmoderner Zerstörer, Er gehört normalerweise zur britischen Carrier Strike Group um die »HMS Queen Elisabeth«. Der Flugzeugträger und neun weitere Begleitschiffe befinden sich gegenwärtig auf dem Weg nach Asien. Der führt nicht vorbei an der Krim. Was also wollte die »Defender« dort?

Offenbar war das Schiff im Rahmen der Operation »Freiheit der Navigation« ausgeschickt. Dabei durchqueren Kriegsschiffen der USA und anderer Nato-Staaten regelmäßig Meeresgebiete mit umstrittenen Seegrenzen. Die USA, Großbritannien und andere Nato-Länder erkennen die von Russland 2014 annektierte Krim nicht als russisches Territorium an. Damit negieren sie auch die entsprechenden See- und Luftgrenzen um die Halbinsel herum. Die häufigsten »Freiheit der Navigation«-Vorfälle werden in den Meeren vor China und Iran registrierte. Doch in Moskau geht man inzwischen davon aus, dass man neben den Krimgewässern auch russische Seegrenzen im Fernen Osten und in der Arktis unter besonderen Schutz nehmen muss. Das Militär ist gerade dabei, die gegen solche Grenzverletzungen geplanten Abwehrmaßnahmen zu verstärken.

Es scheint, das alles habe wenig mit Deutschland zu tun. Ein Irrtum! Am Donnerstag landeten erstmals deutsche Kampfjets im rumänischen Constanta. Mit voller Bewaffnung, wie es in Rumänien heißt. Bis zum 9. Juli sollen die »Eurofighter« des »Richthofen«-Geschwaders aus Wittmund gemeinsam mit einem britischen Verband den Luftraum der Nato-Schwarzmeer-Anrainer sichern. Constanta liegt 200 km vom Ort des »Defender«-Zwischenfalls entfernt.

Am Freitag hielt der neue Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, an der Marineunteroffizierschule in Plön eine Grundsatzrede. Er habe den Eindruck, dass seine Truppe bei den Alliierten und anderen Partnern »als zahnloser Tiger wahrgenommen wird«. Mit Blick auf die Bedrohungsanalyse der Nato ergebe sich jedoch »die Notwendigkeit, nicht nur defensiv handeln zu können«. Russland und China, so der deutsche Marinechef, rüsteten stetig auf. Dabei gehe es um reine »Machtprojektion« gegen die auch die deutsche Marine aktiv werden müsse. Dass man die Fregatte »Bayern« in diesem Jahr in den Indopazifik schicke, sei »ein erster Schritt« und »weit mehr als nur ein Symbol«.

Schönbach setzt auf Konzentration der Kräfte und hat den Generalinspekteur jüngst gebeten, Kampfschiffe von bisherigen Operationen abzuziehen. »Zugunsten einer engeren Kooperation mit den großen Marinenationen«. Dabei denkt der Admiral daran, deutsche Kriegsschiffe in Flugzeugträgergruppen zu integrieren. Er habe darüber schon mit dem Chef der britischen Royal Navy gesprochen und der würde eine »enge Kooperation mit uns sehr begrüßen«. Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Fregatten vor der Krim auftauchen?

Das deutsche Parlament hat in seiner letzten Sitzungswoche 27 Rüstungsvorhaben mit einem Gesamtwert von mehr als 19,1 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. 6,8 Milliarden Euro davon gehen in den kommenden zehn Jahren an die Marine. Dafür werden unter anderem neue U- und Flottendienstboote sowie zwei Marinetanker für die Versorgung von Kriegsschiffen bei weitreichenden Operationen gekauft. Auf der Liste stehen ebenso zahlreiche Modernisierungsprojekte und die Auffüllung der Arsenale.

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