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  • Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen

Nach dem Sammeln geht’s weiter

Dem Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen am 26. September steht wohl nichts mehr im Wege

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 4 Min.

3-4-9-6-5-8. Das sind die Ziffern, die die Aktivist*innen der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen mit dem aktuellen Endstand der Unterschriften vor der Senatsverwaltung für Inneres in der Klosterstraße in Berlin-Mitte in die Luft halten. Hinter ihnen stehen weitere Aktive, welche lila-gelbe Fahnen schwenken und Rauchfackeln anzünden, die lila-gelben Rauch in den Himmel pusten. Dazu singt Freddy Mercury »Don’t stop me now« vom Band. Die Übergabe der letzten Unterschriften der Enteignungsinitiative am vergangenen Freitagabend geriet zum Happening. »Das ist ein Tag der Euphorie, das ist ein Tag des politischen Fortschritts«, frohlockt die Sprecherin der Kampagne Jenny Stupka etwas Abseits des Trubels. Sie ist sichtlich erleichtert.

Rund 500 Aktivist*innen der Initiative waren am Freitag vor das Gebäude der Senatsinnenverwaltung gekommen, um das Ende der zweiten Phase des Volksbegehrens zu feiern. Von der Linken – die sich tatkräftig an der Sammlung beteiligt hatte – gab es Lob und Ermunterung. Klaus Lederer twitterte: »Herzlichen Glückwunsch an @dwenteignen! Die Unterschriftenzahl ist ein eindeutiges Zeichen und ein riesiger Erfolg für die Mietenbewegung in unserer Stadt.« Die Linken hatten sich aktiv an der Sammlung beteiligt und bereits Mitte letzter Woche insgesamt knapp 33.000 Unterschriften an die Kampagne übergeben.

Noch am Abend hatte die Landeswahlleiterin in Anbetracht der bereits ausgezählten Unterschriften den Erfolg des Volksbegehrens bestätigt. Sie erklärte: »Die Berliner Bezirksämter haben bisher 260.708 Unterschriften geprüft; 175.782 davon sind gültig und 84.926 ungültig.« Das bedeutet: Das erforderliche Quorum sollte also mit den bisher geprüften Unterschriften erreicht sein. Die zusätzlichen Unterschriften würden nun, so die Landeswahlleitung, nicht mehr geprüft, sondern nur noch gezählt, da sie keine Auswirkung auf das positive Ergebnis mehr hätten. Damit ist der Weg frei zur Volksabstimmung am 26. September dieses Jahres – der Volksentscheid wird parallel zur Abgeordnetenhauswahl und der Bundestagswahl abgehalten. Allerdings wurde bei Auszählung und Prüfung mit 32,6 Prozent auch ein sehr großer Anteil an ungültigen Unterschriften festgestellt. Der Hauptgrund soll gewesen sein, dass die Unterzeichnenden nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten.

Auch Yagmur Ekim Cay hat unterschrieben, obwohl sie nicht wahlberechtigt ist. Sie wohnt seit sechs Jahren in Berlin und hat sich an der Sammlung in Friedrichshain beteiligt. Jetzt freut sie sich vor der Senatsverwaltung für Inneres über den Erfolg der Kampagne, der für sie auch etwas Bitteres hat: »Die Wohnungskrise betrifft vor allem Ausländer, die aber dürfen oft weder wählen noch abstimmen, obwohl sie das Problem am meisten betrifft«, so Cay. Weil Migrant*innen meist keine Wohnungen auf dem regulären Markt bekommen, müssten sie mit kleinen überteuerten Wohnungen vorlieb nehmen, ist ihre Erfahrung. »Ich selbst habe, als ich nach Berlin kam, einige Zeit in einer 1-Zimmer-Wohnung gewohnt und 1000 Euro dafür bezahlt. Es gab damals keine andere Möglichkeit für mich.« Mittlerweile hat sie eine günstigere Wohnung im Laskerkiez am Ostkreuz gefunden. Dort engagiert sie sich nun gegen Luxussanierungen.

Während Politiker*innen der Linken und Teile der Grünen die Enteignungsinitiative unterstützen, wenden sich SPD und Politiker der Opposition dagegen. Kai Wegner, Bürgermeisterkandidat der CDU, interpretierte das erfolgreiche Volksbegehren auf eine ungewöhnliche Art: »Zehntausende frustrierte Berliner haben der gescheiterten Wohnungspolitik des Senats ihr Misstrauen ausgesprochen. Nach fünf Jahren hat Rot-Rot-Grün unser Berlin in eine hausgemachte Wohnungskrise gesteuert. Es fehlt überall an ausreichendem Wohnraum und an bezahlbaren Mieten«. Wegner plädiert für eine »pragmatische Wohnungspolitik in Berlin« und erwägt den Bau 300.000 neuer Wohnungen bis 2035. Benötigte Flächen sollen, so der CDU-»Berlin Plan« durch Dachgeschossausbau, Hochhausbau und eine Überdeckelung der Stadtautobahn geschaffen werden.

Die FDP hingegen geizt in Anbetracht der Enteignungsdebatte nicht mit Kraftausdrücken. David Jahn, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Berlin, sagt, Enteignungen wären »ein sozialistisches Himmelfahrtskommando«. Sebastian Czaja (FDP) spricht von »fadenscheinigen Argumenten und fragwürdigen Mitteln«, die die Initiative angewendet habe, um die nötigen Stimmen zu erreichen. »Dass die Ausgaben von 36 Milliarden Euro unsere Stadt in den finanziellen Ruin führen«, das würden die Aktivsten verschweigen, so Czaja.

Während der Senat Kosten von 28,8 bis 36 Milliarden Euro für die Entschädigung der 243.000 betroffenen Wohnungen schätzt, geht die Initiative lediglich von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro aus, die über die laufenden Mieten finanziert werden sollen. Für den Stadtsoziologen Andrej Holm ist die Finanzierung über die Mieten ein durchaus gangbarer Weg. Er hat mit einer Arbeitsgruppe vier Entschädigungsszenarien berechnet. »15 bis etwa 20 Milliarden Euro Entschädigung sind – bei gleichbleibenden Mieten – über die Mieterträge finanzierbar«, fast Holm – die Ergebnisse des – dem »nd« vorliegenden – Papiers zusammen. Für höhere Entschädigungssummen müssten allerdings zusätzliche öffentliche Mittel aufgebracht werden, so Holm weiter.

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