Grausam, aber gerecht

Denkbar knapp scheiden Österreichs Fußballer im Achtelfinale der EM gegen Titelkandidat Italien aus

  • Christian Kunz und Nils Bastek, London
  • Lesedauer: 3 Min.

David Alaba kauerte auf dem Rasen des Wembley-Stadions. Tief enttäuscht über den knapp verpassten Viertelfinaleinzug tröstete Österreichs Kapitän auch das reichhaltige Lob für einen großen Kampf seiner Auswahl nicht. »Wir können stolz auf uns sein, auch Österreich kann stolz auf uns sein. Letzten Endes wurden wir aber für diese Leistung, diese komplette Endrunde nicht belohnt«, haderte der 29-Jährige. Einige Meter entfernt tanzten Italiens Achtelfinalsieger ausgelassen.

Nach dem Einzug in die K.o.-Runde, Österreichs größter Erfolg bei einer EM, war auch das Viertelfinale für die Auswahl mit 21 Bundesligaakteuren zum Greifen nahe. »Ich glaube, das ist nicht nur das grausamste Spiel in meiner Karriere, sondern auch in der gesamten österreichischen Fußballgeschichte«, stöhnte der Stuttgarter Sasa Kalajdzic nach dem 1:2 (0:0, 0:0) in der Verlängerung gegen einen Turnierfavoriten. Und alle Österreicher fragten sich, wie das Spiel wohl ausgegangen wäre, wenn Marko Arnautovic bei seinem vermeintlichen Führungstreffer in der 65. Minute nicht eine Winzigkeit im Abseits gestanden hätte. Zenti- oder vielleicht sogar nur Millimeter stand der in China spielende Stürmer in der verbotenen Angriffszone.

»Das Wunder von Wembley war nah«, schrieb Österreichs Tageszeitung »Die Presse«, »Sieger der Herzen«, befand der »Kurier«. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz versuchte es mit aufmunternden Worten. »Danke für dieses großartige Turnier, ein sensationelles Spiel und vor allem für die kämpferische Leistung heute«, schrieb der 34-Jährige bei Twitter. »Ihr habt bis zur allerletzten Minute alles gegeben. Wir sind stolz auf euch!«

Doch gerade das knappe Resultat, das viele den Österreichern gar nicht zugetraut hatten, machte den Abend im Finalstadion in London besonders schmerzhaft. »Wir haben Mut und Willen bewiesen, die Einstellung hat zu 100 Prozent gepasst. Da geht es um Kleinigkeiten, die ein, zwei Prozent haben gefehlt«, beschrieb Kapitän Alaba, der 2013 an selber Stelle mit Bayern München die Champions League gewonnen hatte. Für den künftigen Real-Madrid-Star steht damit fest, dass es am 2. Juli nicht noch einmal in der Münchner Arena zu einem spektakulären Abschied für ihn kommt.

In Monaco di Baviera wollen nun die Italiener den nächsten Schritt Richtung EM-Titel machen. Den Toren im Wembely-Stadion durch die Eingewechselten Federico Chiesa (95. Minute) und Matteo Pessina (105.) hatte Österreich nur den Treffer durch den ebenfalls eingewechselten Kalajdzic (114.) entgegenzusetzen. »Wir können uns nichts dafür kaufen, auch wenn ich nach einem Spiel noch nie so viele Komplimente bekommen habe. Letztendlich sind wir ausgeschieden«, sagte Teamchef Franco Foda, von dem sich Beobachter frühere Impulse durch Einwechslungen gewünscht hätten. Bei allem Frust über die Entscheidung des »Video Assistant Referee« zeigte er sich als fairer Verlierer. »Ich bin für den VAR, weil ich schon immer betont habe, dass im Fußball Gerechtigkeit herrschen muss. Heute hat es uns getroffen, damit muss man leben«, sagte der 55-Jährige.dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.