Tränengas gegen Pride-Parade in Istanbul
Polizei löst zuvor verbotene Demonstration für Rechte queeren Menschen brutal auf
Berlin. Trotz Demonstrationsverbots und massiver Polizeipräsenz haben sich in Istanbul Hunderte Menschen zur Pride-Parade versammelt. Die Polizei setzte Tränengas gegen Demonstrierende ein, die am Samstag durch das europäische Zentrum der Stadt liefen. Auch Plastikgeschosse wurden in die Menge gefeuert. Mehrere Menschen wurden nach Angaben der Veranstaltenden festgenommen. Unter dem Motto »Die Straße gehört uns« hatten verschiedene Zusammenschlüsse zu der Parade aufgerufen. Die Protestierenden kritisierten ein zunehmend LGBTQI-feindliches Klima im Land. LGBTQI steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Inter- und queere Menschen.
Unter den Festgenommenen am Samstag war auch ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP. Aufnahmen zeigen, wie Polizist*innen den Fotojournalisten Bülent Kilic mit dem Gesicht nach unten auf den Boden drückten und sich auf ihn knieten. Polizeibeamte stellten sich mit Schildern um die Szene, um den Blick zu versperren. Kilic, der inzwischen wieder frei ist, kündigte auf Twitter an, vor Gericht klagen zu wollen.
Bereits am Vortag der Pride-Parade waren rund um den Veranstaltungsort Absperrgitter aufgestellt worden. Die Demonstration wurde wenige Stunden vor dem geplanten Beginn von dem von Ankara eingesetzten Landrat untersagt. Die Anordnung erging unter Berufung auf das Demonstrationsgesetz. Sie wurde unter anderem damit begründet, dass es mögliche Verstöße gegen die »Moral« geben könnte und man möglichen Straftaten vorbeugen wolle. Milena Büyüm von Amnesty International bezeichnete das Verbot auf Twitter als rechtswidrig und warf der Polizei »exzessive« Gewaltanwendung vor.
Die Pride-Parade in der türkischen Millionenmetropole konnte mehr als zehn Jahre lang bei stetig wachsenden Teilnehmerzahlen unbehelligt stattfinden. 2015 wurde sie, damals mit Verweis auf den für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan, zum ersten Mal verboten. Zu Beginn der Woche war in Istanbul zudem ein Picknick anlässlich der sogenannten Pride-Week untersagt worden. Mehreren Berichten zufolge beschlagnahmte die Polizei Utensilien in Regenbogenfarben. Im vergangenen Jahr hatte das Handelsministerium angeordnet, Produkte mit Regenbogenfahnen und anderen Symbolen für sexuelle und Gender-Vielfalt als ungeeignet für Menschen unter 18 Jahren zu kennzeichnen.
Auch in Berlin fanden in diesem Jahr anlässlich des Christopher Street Days (CSD) wieder Prides statt. Rund 10 000 Menschen waren am Samstag auf der Straße, um für die Gleichberechtigung von queeren Menschen zu demonstrieren. Die vier verschiedenen Prides waren als Alternative zur bisherigen CSD-Partyparade konzipiert, die wegen ihres kommerziellen und unpolitischen Charakters in der Kritik stand. Jeder Pride hatte dabei unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte, wie die Situation von Homosexuellen im Osten oder von Schwarzen queeren Menschen. Agenturen/nd Seite 10
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