Falsch gewählt, bitte noch einmal

Die Grünen im Saarland haben auf ihrem Parteitag offenbar gegen das Frauenstatut verstoßen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Listenaufstellung der Grünen im Saarland für die Bundestagswahl sorgt weiter für Ärger. Mehrere Kreis- und Ortsverbände kündigten an, gegen die Aufstellung vorgehen zu wollen. Am Montag wurde bekannt, dass sie sich an das Landesschiedsgericht gewandt haben. Außerdem beantragten sie, dass die am 20. Juni beim Landesparteitag aufgestellte Liste nicht bei den Wahlbehörden eingereicht werden dürfe. Im Kern geht es um einen Verstoß gegen das Frauenstatut. Der frühere Landes- und Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich war auf den ersten Platz gewählt worden. Die Kritiker dieser Entscheidung bei den saarländischen Grünen wiesen darauf hin, dass ungerade Listenplätze Frauen vorbehalten seien.

Das Problem war aber, dass die Kandidatin für den Spitzenplatz, Tina Schöpfer, in drei Wahlgängen durchgefallen war. Daraufhin beschloss eine Mehrheit auf dem Parteitag, dass auch ein Mann für den Posten kandidieren könne. Damit sollte der Weg für die Wahl von Hubert Ulrich freigemacht werden. Er setzte sich bei der Abstimmung gegen die Landesvorsitzende der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider, durch. Das Frauenstatut besagt nach Angaben des Landesverbands der Grünen allerdings, dass Dillschneider einen Anspruch darauf gehabt hätte, ohne die Gegenkandidatur eines männlichen Mitbewerbers gewählt zu werden. Die Vorwürfe der Antragsteller wiegen schwer. So sollen auch Mitglieder mitgestimmt haben, ohne rechtmäßige Delegierte gewesen zu sein.

In der Bundeszentrale der Grünen hat man zu den Vorgängen eine klare Haltung. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hat in einem Schreiben dem Landesvorstand bereits nahegelegt, die Liste für den Bundestag neu zu wählen. Auch die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock äußerte sich kritisch.

Zwar ist das Saarland ein kleines Bundesland mit weniger als einer Million Einwohnern, aber für die Grünen wäre hier ein Stimmenzuwachs auch von großer symbolischer Bedeutung. Im Saarland konnten sie nämlich nicht einmal annähernd an die Erfolge in anderen Bundesländern anknüpfen. Die Grünen sind derzeit nicht einmal im Landtag von Saarbrücken vertreten. Die nächste Landtagswahl ist für den März 2022 angesetzt und mittlerweile liegen die Grünen in Umfragen bei 15 Prozent der Stimmen. Es ist nicht vorstellbar, dass das so bleibt, wenn die Querelen im Landesverband anhalten sollten.

Dort gibt es erste Auflösungserscheinungen. Der auf dem Landesparteitag neu gewählte Landesschef Ralph Rouget, seine Stellvertreterin Irina Gaydukova und weitere Vorstandsmitglieder sind bereits zurückgetreten. Gaydukova stand auf Platz zwei der Landesliste und soll nach einem Bericht des Saarländischen Rundfunks aus der Partei ausgetreten sein. Gaydukova konnte beim Landesparteitag einige Fragen zu aktuellen politischen Themen wie nach der Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutzpolitik nicht beantworten.

Rouget schrieb als Begründung für seine Entscheidung, dass er sich seit seiner Bewerbung »persönlichen Angriffen und Anfeindungen, vor allem aus inneren Kreisen der Partei, ausgesetzt« sehe. Ihm sei auf dem Parteitag bewusst geworden, »wie tief die Gräben innerhalb unserer Partei sind«.

Die Co-Landesvorsitzende Barbara Meyer-Gluche erklärte, dass sie die Entscheidung Rougets bedauere. Der Rücktritt stehe »nicht im Zusammenhang mit unserer Zusammenarbeit oder unserem persönlichen Verhältnis«, sagte die Politikerin. Sie unterstützte am Montag die Forderung, wonach das Landesschiedsgericht in den nächsten Tagen klären soll, ob die Bundestagskandidatenliste rechtlich in Ordnung ist.

Es ist möglich, dass weitere Politiker der Grünen Konsequenzen ziehen werden. Von Hubert Ulrich gibt es jedoch noch keine Signale, dass er freiwillig aufgibt. Er hat Erfahrungen mit parteiinternen Auseinandersetzungen.

Ulrich sorgte nach der Landtagswahl 2009 dafür, dass die Grünen ein Bündnis mit CDU und FDP eingingen. Damals wäre auch Rot-Rot-Grün mit dem heutigen SPD-Außenminister Heiko Maas und Linksfraktionschef Oskar Lafontaine möglich gewesen. Ulrich setzte bei den Grünen die Beteiligung an der Koalition unter Führung von Regierungschef Peter Müller (CDU) durch.

Für Aufsehen sorgte in dieser Zeit, dass ein Unternehmer, der auch Kreisvorsitzender der Saarbrücker FDP war, seiner Partei, der CDU und den Grünen großzügige Spenden zukommen ließ. Es handelte sich um Hartmut Ostermann. Ulrich war darüber hinaus als Marketingleiter für die IT-Beratungsfirma Think & Solve tätig, zu deren Gesellschaftern Ostermann zählte.

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