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Keine Entlastung für Olaf Scholz
Der Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss bringt den SPD-Kanzlerkandidaten in Bedrängnis
Das Finanzamt in der Hamburger Nordkanalstraße 22 erregt selten bundesweit Aufsehen. Im März dieses Jahres geschah dies aber - weil nichts geschah. So soll die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker eine Razzia im Finanzamt für Großunternehmen und auch in der Finanzbehörde der Hansestadt geplant haben. Nach Recherchen von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« hatte die Strafverfolgerin einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Amtsgericht beantragt. Dieses prüfte noch, ob ein hinreichender Anfangsverdacht bestehe, als Brorhilker offenbar von ihren Vorgesetzten zurückgepfiffen wurde.
Die Staatsanwaltschaft in Köln ist bei den Ermittlungen zum Cum-Ex-Skandal bundesweit federführend. Jahrelang täuschten Investoren und Banker Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag herum vor, um sich eine normalerweise nur einmal anfallende Quellensteuer mehrfach von den Finanzämtern erstatten zu lassen. In Hamburg spielte die M. M.-Warburg-Bank dabei eine unrühmliche Rolle. Tagebücher des früheren Gesellschafters Christian Olearius - sie waren während einer anderen Hausdurchsuchung Ermittlern in die Hände gefallen - nährten den Verdacht, dass Finanzbeamte und Politiker die 1798 gegründete Hamburger Traditionsbank bei möglichen Steuerrückforderungen geschont hatten. Diese hätten Warburg angeblich in die Insolvenz treiben können. Der Vorgang geht auf das Jahr 2016 zurück, als der heutige Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, noch Bürgermeister in der Hansestadt war und sein Amtsnachfolger Peter Tschentscher zuständiger Finanzsenator.
In der Hamburgischen Bürgerschaft beschäftigt sich seit November ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) mit Cum-Ex. Er will den Vorwurf einer möglichen Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Warburg-Bank klären. Der Ausschuss war eingesetzt worden, nachdem zwei Treffen des Bürgermeisters Scholz mit Olearius bekannt geworden waren. Später ließ Hamburg mögliche Steuernachforderungen gegenüber Warburg in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren; eine weitere Forderung über 43 Millionen Euro wurde erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.
Mittlerweile hat Warburg alles beglichen, was aber kein Schuldeingeständnis sei, wie die Bank betont: Warburg habe allein den Steuerbetrag gezahlt, »obwohl Dritte die Geschäfte initiierten, abwickelten und große Profite erzielten«. Gegen eine Verurteilung durch das Landgericht Bonn im März 2020 hat Warburg daher Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Ende April hatte auch Scholz vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt und dabei jeglichen Verdacht zurückgewiesen, selbst Einfluss genommen zu haben. An die Inhalte der Gespräche mit Olearius und Warburg konnte er sich aber nicht erinnern.
»Wir als Parlament sind belogen worden«, kritisiert Norbert Hackbusch von der Linksfraktion. Ursprünglich hatte die Senatskanzlei behauptet, die Treffen von Scholz und Olearius hätten nie stattgefunden. Erst durch die beschlagnahmten Tagebücher wisse man von den Gesprächen. Dass sich Scholz nicht erinnern könne, sei wenig glaubwürdig, auch weil der Warburg-Fall politisch hochbrisant gewesen sei. Hackbusch: »Wir sehen das sehr kritisch, wie Herr Scholz agiert.«
Entlastet wurde Scholz am vergangenen Freitag dagegen auf der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusse vor der Sommerpause von einem Abteilungsleiter in der Wirtschaftsbehörde, der an dem ersten Treffen teilgenommen hatte. Dabei seien keine Vereinbarungen getroffen worden. Für das Treffen habe er eine Vorlage zu Cum-Ex-Geschäften erarbeitet. Ob Scholz diese gelesen habe, wisse er nicht. Die frühere Leiterin des Finanzamtes in der Nordkanalstraße hatte in der PUA-Sitzung eine Woche vorher bereits eine politische Einflussnahme ausgeschlossen. Sie war allerdings inhaltlich kaum mit dem Fall befasst. Für Olearius’ Promi-Anwalt Peter Gauweiler hat sich der Untersuchungsausschuss dennoch damit erledigt.
Das sieht die Linke anders. »Der Zeuge aus der Wirtschaftsbehörde hat Olaf Scholz zwar nicht belastet«, so Hackbusch, »aber damit wurde er auch nicht entlastet.« Vielmehr sei deutlich geworden, dass im Gegensatz zu seinen Äußerungen im Bundestag das Thema Cum-Ex auf der Agenda von Scholz stand. Und was in dem zweiten Gespräch und dem darauffolgenden Telefonat geschah, bleibe weiterhin unklar.
Die inhaltliche Aufarbeitung wird im August mit der Vernehmung der eigentlichen Sachbearbeiterin »so richtig beginnen«, ist David Stoop, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken, überzeugt. Mit Spannung werden auch die Aussagen der Betriebsprüfer des Finanzamtes in der Nordkanalstraße erwartet, die im Jahre 2016 zunächst eine Steuerrückforderung an Warburg gestellt hatten. Bevor sie zurückgepfiffen wurden.
Wiederholte sich der Vorgang jetzt in Köln? Die dortige Oberstaatsanwaltschaft spricht von einem »Kommunikationsversehen«. Beobachter halten aber auch eine Verfügung von oben für möglich. Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU) jedenfalls hat Weisungsbefugnis gegenüber allen staatsanwaltschaftlichen Beamten des Landes. Und dessen Chef wiederum ist derzeit Kanzlerkandidat der Union.
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