Spielen mit einem Lächeln im Gesicht

Beseelt und glücklich ziehen Italiens Fußballer nach dem 2:1 gegen Belgien ins Halbfinale

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Roberto Mancini, der Trainer und Architekt dieser bemerkenswerten Squadra Azzurra, die ihn umringte, als hüte sie ihren Schatz. Und Mancini, 56, der früher selbst für Italien gestürmt hatte, hob Zeigefinger und Daumen, als wolle er seine Mannschaft direkt nach dem 2:1 (2:1) gegen Belgien im EM-Viertelfinale einschwören auf das, was es nun noch braucht, um Italiens ersten Titelgewinn seit der WM 2006 in Deutschland feiern zu können. Also zwei Siege, zunächst am Dienstag im Halbfinale gegen Spanien und danach am Sonntag gegen England oder Dänemark, die sich im zweiten Halbfinale am Mittwoch gegenüberstehen, ebenfalls in London.

»Wir gehen nach Wembley in dem Wissen, dass wir ein Team sind, das noch viel in diesem Turnier zeigen kann«, sagte Mancini. Als er gefragt wurde, was er in dieser Gruppe von Spielern gesehen habe, weil er das Halbfinale schon vor dem Turnier zum Ziel erhoben hatte, als Italien noch als Außenseiter galt, da antwortete er: »Die Mannschaft hat sich weiterentwickelt in jedem Spiel, die Mannschaft ist immer besser geworden. Aber wir können uns immer noch weiter verbessern, das habe ich in diesem Team gesehen.«

Seit 32 Spielen sind die Italiener nun schon ungeschlagen. So langsam erscheint es allerdings schwer vorstellbar, dass sich die Italiener weiter steigern können. Vor allem nach diesem wilden Spektakel, das sie gemeinsam mit den Belgiern am Freitagabend zur Aufführung gebracht hatten, als die Münchner Arena zum letzten Mal bei diesem Turnier die Bühne bot. Zusammen zeigten beide Mannschaften fußballerisch mit das Beste, was diese EM hervorgebracht hatte. Dass Italien durch die Tore von Inter Mailands Nicolò Barella (31.) und Neapels Lorenzo Insigne (44.) über Belgiens sogenannte goldene und weiterhin unvollendete Generation triumphierte, geriet dabei zu einer Bestärkung für alles, was nun noch folgen soll.

Bisher hatten die Italiener bei dieser EM gegen Mittelklasse-Teams teils groß aufgespielt. Dass sie nun der seit drei Jahren laut Weltrangliste besten Elf der Welt nur ein Tor durch Romelu Lukakus umstrittenen Foulelfmeter gestatteten (45.+2), verlieh ihnen das Gütesiegel, es mit jedem aufnehmen zu können. Weniger wegen einer herausragenden individuellen Qualität, sondern vor allem wegen einer tollen Organisation und eines Zusammenhalts, der für sich schon einschüchternd wirken muss auf die Gegner. Angefangen beim Schmettern der Nationalhymne, in der passenderweise die Geschlossenheit der Brüder Italiens besungen wird, die zu allem bereit sein sollen. Die Azzurri spielen, wie sie singen, voller Leidenschaft und fest entschlossen. Und sie wirken beseelt vom Glück, eine echte Einheit zu bilden. »Ich habe noch nie mit so einem Lächeln im Gesicht gespielt. Das ist, wie wenn ich mit meinen Freunden zu Hause spielen würde«, erklärte Kunstschütze Lorenzo Insigne, »der Trainer hat einen großen Anteil daran. Er macht es möglich, dass wir unseren besten Fußball spielen. Und wir spielen alle mit einem Lächeln im Gesicht, das ist unser Geheimnis.«

Dabei haben sie auch die Ästhetik der akkuraten Arbeit für sich entdeckt. All die Laufwege, die nötig sind, um das nahezu perfekte Positionsspiel zu ermöglichen, vollführen sie mit jener Hingabe und Freude, die ihr oft lächelnder Kapitän Giorgio Chiellini, 36, bei seinem Verteidigungs-Handwerk ausstrahlt. Es ist dieser Geist, der die Italiener durchs Turnier trägt und ihnen als Grundlage für ihre kunstvollen Momente dient, für ihr schönes Offensivspiel - die Toren der wendigen Angreifer Barella und Insigne sowie vor allem Insignes Schlenzer zum 2:0 wirkten wie Pinselstriche voller Leichtigkeit. »Ich versuche diesen Schuss ziemlich häufig. Der Trainer sagt, dass ich vielleicht mal auf die andere Seite schießen soll, aber das kann ich irgendwie nicht so richtig«, erzählte Insigne, erinnerte rasch an die Basis der fünf Siege in den fünf EM-Spielen und sprach vorm Halbfinale gegen Spanien bereits voller Zuversicht über die Hoffnung auf den Titelgewinn: »Wir müssen weiter arbeiten, denn wir können Großartiges erreichen.« Nun müsse man eben noch mehr leisten, sagte der 1,63 Meter kleine Neapolitaner.

Das gilt auch deshalb, weil sich der starke Linksverteidiger Leonardo Spinazzola gegen Belgien einen Achillessehnenriss zugezogen hatte. Emerson vom FC Chelsea gilt als Ersatzkandidat. Gegen Spanien kommt nun vielleicht noch mehr auf die Abwehr und Torwart Gianluigi Donnarumma zu. Nach Spinazzolas Ausfall sind die Italiener umso mehr als Einheit gefordert. Als Künstler, die auch kämpfen können und als Kämpfer, die viel für die kunstvollen Momente übrighaben, begleitet von diesem beseelten Lächeln. »Wir haben einen Traum versteckt in der Schublade. Ich hoffe, dass wir ihn Mitte Juli herausholen und rausschreien können«, sagte Verteidiger Leonardo Bonucci. Beim Schlussbild von München wirkte es, als habe Mancini an diesen Traum erinnert, umringt von seinen Spielern.

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