Die Visitenkarte eines Mosfilm-Mannes

Wladimir Menschow gestorben

  • Ulf Mauder
  • Lesedauer: 2 Min.

Der für seinen Film »Moskau glaubt den Tränen nicht« mit einem Oscar ausgezeichnete sowjetische und russische Regisseur Wladimir Menschow ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Menschow, der auch Schauspieler, Drehbuchschreiber und Produzent war, erlag am Montag den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus, teilte der Kinokonzern Mosfilm in Moskau mit. »Wir haben unseren lieben Freund verloren, einen Mosfilm-Mann, der der heimischen Kinoindustrie seine ganze schöpferische Kraft und sein schillerndes Talent gewidmet hat, einen echten Regisseur des Volkes, dessen wunderbare Filme Millionen von Menschen kennen und lieben«, teilte das Unternehmen mit.

Menschows berühmtester Streifen »Moskwa slesam ne werit« (»Moskau glaubt den Tränen nicht«) von 1979 erhielt als bester ausländischer Film einen Oscar. Im Auszeichnungsjahr 1981 setzte er sich gegen François Truffaut (»Die letzte Metro«), Akira Kurosawa (»Kagemusha - Der Schatten des Kriegers«) und gegen István Szabó (»Zimmer ohne Ausgang«) durch. Der Preis lenkte damals die internationale Aufmerksamkeit auf das sowjetische Kino - kurz nach den von einem internationalen Boykott überschatteten Olympischen Spielen 1980 in Moskau. Die Sowjetunion galt im Kalten Krieg im Westen als »Imperium des Bösen«. Das Melodrama zeichnete ein anderes Bild des Alltags von Menschen Ende der 1950er Jahre in einer sowjetischen Großstadt. Menschow durfte den Preis wegen der Reisebeschränkungen nicht selbst abholen. Der Kulturattaché der sowjetischen Botschaft nahm den Oscar entgegen. Mit Bitterkeit sagte der Regisseur einmal: »Der Film reiste um die Welt als Visitenkarte für das sowjetische Lebensmodell, und der Autor dieser Visitenkarte wurde für nicht vertrauenswürdig gehalten.«

Der am 17. September 1939 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer geborene Menschow war bis zuletzt aktiv. Die Partei Gerechtes Russland hatte ihn unlängst noch als Kandidaten für die Parlamentswahl am 19. September dieses Jahres aufgestellt. dpa

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