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Annäherung im Strauchstreit
Naturschützende und Bezirksamt auf Kompromisssuche am Mehringdamm
Der Mehringdamm in Kreuzberg soll einen neuen Fahrradweg bekommen. Dass dafür elf Hochbeete, Bäume und Sträucher gerodet wurden, stößt bei Naturfreunden Berlin und Bündnis Stadtnatur K61 auf Unmut und Protest. Am Montag übergaben die beiden Gruppen an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg eine Liste mit 457 Unterschriften von Anwohner*innen und Gastronom*innen, die eine Neubepflanzung fordern.
»Wir begrüßen den neuen Fahrradweg, aber es muss eine ökologische Lösung gefunden werden. Bäume verbessern das Klima in der Stadt und die Lebensqualität der Anwohner*innen. Die Sträucher sind Lebensraum vieler Vögel«, sagt Angela Laich, die bei den Naturfreunden und beim Bündnis Stadtnatur aktiv ist. Dass die Umgestaltung des Mehringdamms zehn neue Bäume, größere Baumscheiben und einen Wiesenstreifen vorsieht, reicht den Naturschützer*innen nicht.
Sie fordern den Erhalt und die Vergrößerung der letzten verbleibenden Teile zweier Hochbeete sowie zusätzliche Strauchanpflanzungen. Schon Anfang des Jahres habe das Bündnis Stadtnatur dem Bezirk vorgeschlagen, Pflanzencontainer aufzustellen, was dieser bewilligt habe. Bislang sei davon jedoch nichts zu sehen.
»Die Container hätten mit Rückbau der Hochbeete nach Ostern in die Baustelle integriert werden sollen. Am dringendsten sind sie nämlich während der Brutzeit für die dort ansässigen Gebäudebrüter«, sagt Angela Laich. Die Naturfreunde hätten bereits registriert, dass der Bestand an Spatzen zurückgegangen sei. Die Asphaltierung und Versiegelung führe bei den Linden zu Trockenstress und Auslichtung der Baumkronen. Auch die Gastronom*innen seien von den Rodungen betroffen, weil die Hochbeete die Gäste von der Straße abschirmten.
Kritik an Intransparenz des Bezirks
Vom Fahrradclub ADFC gibt Laich die Kritik weiter, dass anstelle eines Hochbord-Radweges besser die gesamte rechte Fahrbahnspur zu einem Pop-up-Radweg hätte ausgebaut werden sollen. So hätte es noch mehr Platz für Begrünung gegeben. Zudem missbilligt sie, dass vom Bezirk bislang keine Informationen zu den Baumaßnahmen öffentlich zur Verfügung gestellt worden und zahlreiche Kontaktaufnahmen unbeantwortet geblieben seien.
»Ich gebe zu, dass nicht alles rundgelaufen und das Verfahren bislang nicht sehr transparent gewesen ist«, sagt Felix Weisbrich bei der Übergabe. Er ist Leiter des Straßen- und Grünflächenamts. Die Hochbeete hätten verschwinden müssen, weil ein Zugang zu den Gasleitungen notwendig war. Bei den Pflanzencontainern habe es Lieferschwierigkeiten gegeben. »Die ersten zehn Kübel kommen aber bald. Sie sehen vielleicht anfangs etwas dürftig aus, aber es sind weitere geplant - seien Sie geduldig«, bittet Weisbrich die Naturfreund*innen. Im Austausch für die Unterschriftenliste übergibt er ihnen die Pläne für die Neubepflanzung, zu denen sie gerne Verbesserungsvorschläge einreichen sollten.
Runder Tisch Artenschutz geplant
Marcus Münnich, Leiter des Umwelt- und Naturschutzamts, gibt anschießend bekannt, dass ein runder Tisch »Artenschutz bei Bauvorhaben« geplant ist, zu dem die Bürger*innen herzlich eingeladen sind. »Wir wollen uns gemeinsam überlegen, wie eine biologische Begleitung von Baumaßnahmen in Zukunft aussehen kann«, sagt er. Das stimmt die Naturschützenden versöhnlich. »Wir wissen um den Druck der Investoren, der auf Ihnen lastet, und sehen es als unsere Aufgabe, Druck von außen zu machen«, entgegnet Uwe Hiksch von den Naturfreunden.
Ursprünglich wollte die Initiative die gesammelten Unterschriften Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) überreichen, die jedoch gerade im Urlaub ist. Da sie befürchteten, dass damit niemand vom Bezirk kommen würde, hatten sie eine Maske mit Herrmanns aufgedrucktem Gesicht vorbereitet, mit der sie die Unterschriften symbolisch sich selbst überreicht hätten. Dass Weisbrich und Münnich nicht nur den Termin wahrgenommen, sondern auch zum runden Tisch eingeladen haben, sieht Hiksch als Zeichen des guten Willens für den Arten- und Naturschutz.
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