Das Dunkelfeld ausleuchten

Erste Ermittlungshilfe gegen Antisemitismus für Polizei und Behörden liegt vor

  • Maximilian Breitensträter
  • Lesedauer: 3 Min.

Antisemitische Straftaten besser erkennen und strafrechtliche verfolgen – das ist das Ziel des neuen gemeinsamen Leitfadens von Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin. Mit der ersten Handlungsempfehlung gegen Antisemitismus soll vor dem Hintergrund der wachsenden Judenfeindschaft den Mitarbeitenden beider Behörden eine praxisnahe Orientierungshilfe für die Erkennung antisemitischer Taten an die Hand gegeben werden. Das teilten Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Generalstaatsanwältin Margarete Koppers in einer gemeinsamen Mitteilung mit.

Erstellt wurde die Ermittlungshilfe vom Antisemitismusbeauftragten der Polizei Berlin, Wolfram Pemp, zusammen mit der Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Claudia Vanoni. Unterstützt wurden sie dabei auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen. »Wir setzen alles daran, die Zusammenarbeit unserer Mitarbeitenden bei der Verfolgung antisemitischer Straftaten noch weiter zu verbessern«, heißt es in der Erklärung von Slowik und Koppers. Der gemeinsame Leitfaden der beiden Antisemitismusbeauftragten sei hierfür ein wichtiger Baustein.

Der Berliner Leitfaden für die Strafverfolgungsbehörden orientiert sich an ähnlichen praxisnahen Orientierungshilfen, wie es sie bereits in Sachsen und Bayern gibt. Er funktioniert wie eine Checkliste für den Dienstgebrauch, die Hinweise auflistet, die antisemitische Taten ausmachen. Zudem sollen Beamt*innen etwa für bestimmte Tatorte oder Tage sensibilisiert werden, zum Beispiel jüdische Feiertage. Auch Symbole und Codes von antisemitischen Organisationen aus dem In- und Ausland werden in der Handreichung aufgelistet.

Grundlage für die Bestimmung bildet die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Rememberance Alliance (IHRA) aus dem Jahr 2016. Diese besagt, dass Antisemitismus eine bestimmte Wahrnehmung von Jüd*innen ist, die sich als Hass gegenüber als jüdisch markierten Menschen ausdrücken kann. Antisemitismus richte sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, kann Ziel solcher Angriffe sein.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) begrüßt die Ermittlungshilfe als richtigen Schritt. »Der Leitfaden kann zukünftig ein wichtiges Instrument für Polizist*innen und Staatsanwält*innen sein, damit diese Antisemitismus besser erkennen und antisemitische Straftaten schließlich auch als solche konsequent würdigen und verfolgen«, sagt RIAS-Projektleiter Benjamin Steinitz. Besonders gut findet Steinitz, dass die Perspektive von Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt wird. »Wir wünschen uns, dass insbesondere dieser Punkt konsequent in der täglichen Arbeit umgesetzt wird«, so Steinitz.

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Auch Kai Schubert, Lehrbeauftragter an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht zum Thema Antisemitismus im Studiengang Polizeivollzugsdienst, findet die praxisnahe Handreichung der Behörden sinnvoll. Die Ermittlungshilfe enthalte wichtige Standards zur polizeilichen und staatsanwaltlichen Bearbeitung von Antisemitismus, etwa in punkto Zuständigkeit, Erkennung von Tatmotiven und dem Fokus auf die Betroffenengruppen. »In der Ausbildung von Polizist*innen lässt sich der Leitfaden gut einsetzen«, findet der Lehrbeauftragte. Es brauche aber weiter Kontextualisierungen. Die angehenden Beamt*innen müssten etwa die Anwendung der IHRA-Definition anhand konkreter Beispiele einüben.

Lars Umanski, Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), lobt den Leitfaden ebenfalls. »Die Vorgabe, sich an der IHRA-Definition zu orientieren, sowie die Klarstellung, dass Antisemitismus aus allen politischen Strömungen der Gesellschaft kommen kann, sind enorm wichtig«, sagt er. Der Leitfaden dürfe sich jedoch nicht in einer Symbolwirkung erschöpfen. »Eine konsequente Anwendung und ein schnelles Nachziehen anderer Bundesländer sind jetzt gefragt.«

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