- Politik
- Christopher Street Day
Bunte Parade in Altenburg
Die ostthüringische Kreisstadt feiert ihren ersten Christopher Street Day und trotzt den Drohungen der extremen Rechten
»Gay Pride, not White Pride!« stand auf dem Front-Transparent, hinter dem sich am Samstag in Altenburg mehrere Hundert Menschen versammelten. Sie zogen am späten Vormittag vom Bahnhof aus durch die Innenstadt zum Markt, wo hernach ein buntes Bühnenprogramm mit Live-Musik, Poetry-Slam, einer sogenannten Kreativtankstelle und einer Podiumsdiskussion zu »queerem Leben auf dem Land« startete. Das Motto des Protestmarschs passte perfekt: Beim allerersten Christopher Street Day in der ostthüringischen Kreisstadt ging es nicht nur darum, mit Plakaten und Regenbogenfahnen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Menschen und Intersexuellen zu demonstrieren - sondern auch gegen die extreme Rechte.
Nicht ohne Grund: Die Veranstalter hatten im Vorfeld von Hassbotschaften gegen sie berichtet. Die Drohungen richteten sich vor allem gegen Organisator Torge Dermitzel. »Wäre ich dein Vater, würde ich dich eigenhändig mit dem Rasenmäher überfahren«, soll laut dem Internetportal »queer.de« eine der Botschaften gelautet haben. Und: »Wenn ich Sie auf der Straße sehe, schlage ich Sie so hart zusammen, dass Sie erst im Krankenhaus wieder aufwachen.« Ebenso wurde das Auto einer Unterstützerin des CSD mit einem Hakenkreuz beschmiert. Die Idee zu der Parade sei ihm gekommen, nachdem er wegen Nagellack an den Fingern in der Stadt mehrmals beschimpft und bedroht worden sei, sagte Dermitzel, der im vergangenen Jahr aus Norddeutschland nach Altenburg gezogen ist. Dem habe er etwas entgegensetzen wollen.
Die Community ließ sich von den Drohungen nicht einschüchtern und feierte den CSD - den fünften in Thüringen nach Erfurt, Jena, Weimar und Gera - mit rund 600 Teilnehmern. Immer wieder schauten Menschen aus den Fenstern herunter. Einem Polizeisprecher zufolge verlief der Umzug friedlich - gegen einen Störer, der die Parade mit Rufen zu beeinträchtigen versuchte, sei ein Platzverweis verhängt worden. Die Veranstalter sprachen von einer »grandiosen Parade«. Auch Torge Dermitzel zeigte sich glücklich: »Altenburg war heute krass! Ich kann alles gar nicht in Worte fassen. Heute wurde Geschichte geschrieben!«
Unterstützt wurde die Veranstaltung von Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann (CDU), der am Rathaus der Stadt die Regenbogenflagge hissen ließ. Neumann hatte sich im Vorfeld klar zum CSD bekannt: »Der CSD ist kein Grund zu streiten. Er ist ein Grund zum Nachdenken und ein Grund, sich mit der Diskriminierung der LGBTIQ*-Community zu beschäftigen«, schrieb das Stadtoberhaupt auf Twitter: »Bei uns ist es ›nur‹ Diskriminierung, in vielen Teilen der Welt ist die Vielfalt der Liebe ein Grund zur Jagd auf Menschen.«
Deutlich sichtbar wird, dass der Riss zwischen einer offenen, auf Pluralität ausgerichteten Vorstellung von Gesellschaft und einem rückwärtsgewandten Gesellschaftsmodell nicht nur durch Altenburg, sondern auch mitten durch die CDU Thüringen geht. Während André Neumann keinen Zweifel daran lässt, dass er sich klar für Vielfalt ausspricht, tritt wenige Kilometer von Altenburg entfernt der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Kandidat zur Bundestagswahl an. In den sozialen Netzwerken distanziert sich Neumann, im Gegensatz zu CDU-Parteichef Armin Laschet, klar von Maaßen: »Lasst uns dieses Stöckchen nicht überspringen!« Mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.