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Temporäre Büffelwürfel
Berlin geht auch mit temporären Bauten gegen Schulplatzmangel vor
Statt Schülern geben sich in vielen Berliner Schulen derzeit Handwerker und Bauarbeiter die Klinke in die Hand. Ferienzeit ist Schulbauzeit: Das Motto der 2017 gestarteten Schulbauoffensive gilt auch in diesen Sommerferien. In 221 Schulgebäuden werden Dächer, Fassaden, Fenster, Böden oder Elektro- und Heizungsanlagen saniert. »Die Berliner Schulbauoffensive sorgt dafür, dass an immer mehr Schulen gebaut und saniert wird«, gibt sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hocherfreut. Es gehe darum, »sukzessive alle Berliner Schulen für die Zukunft zu wappnen und damit auch dringend benötigte Schulplätze zu schaffen«. Nun liegt die Betonung gerade bei der Schaffung zusätzlicher Plätze auf dem Wort »sukzessive«. Über 60 Schulen sollen eigentlich berlinweit neu errichtet werden - fertiggestellt wurden bislang erst ganze drei, hinzu kommt ein Oberstufenzentrum. Es geht also in der Tat nur sehr allmählich voran.
»Die Schulbauoffensive ist ein großartiges Projekt, allerdings haben wir durch Corona in einigen Bereichen auch wertvolle Zeit verloren«, sagt die Bildungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Regina Kittler, zu »nd«. Mit Blick auf die jährlich weiter steigenden Schülerzahlen sei es daher umso wichtiger, auch temporäre Schulbaumaßnahmen voranzutreiben. Kittler verweist in dieser Hinsicht insbesondere auf ein »unbedingt« nachahmenswertes Pilotprojekt der Berliner Immobilien Management (BIM), das demnächst in Spandau hingeklotzt wird.
Bis Ende Februar 2022 will der Immobiliendienstleister auf dem Gelände der Schule an der Haveldüne einen temporären Ersatzbau aus leergezogenen Containern für die Unterbringung von Geflüchteten, sogenannten Tempohomes, errichtet haben. Geplant ist ein dreigeschossiger Bau, der über drei große Unterrichtsräume, neun Teilungsräume und einen Bereich für das Personal verfügt, so die Bildungsverwaltung. 2,2 Millionen Euro soll das - etwas uninspiriert - »Spandauer Würfel« getaufte Projekt kosten, finanziert aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds. Der Preis sei in Ordnung, heißt es von der BIM auf nd-Nachfrage: »Angesichts der derzeit vorhandenen Preisinformationen ist der sogenannte ›Würfel‹ im Verhältnis zum angestrebten Zweck und Nutzen preisgünstig nach Marktlage.«
Für die Sekundarschule im Ortsteil Wilhelmstadt komme das Pilotprojekt genau zur richtigen Zeit, sagt Spandaus Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) zu »nd«. »An diesem Standort werden zusätzliche Unterrichtsräume wegen des Schülerzahlenaufwuchses ganz dringend benötigt.« Der hänge zum Teil auch mit dem dortigen Ausbau der Oberstufe zusammen, so Kleebank. Rund 250 Schülerinnen und Schüler haben den Planungen zufolge ab kommendem Jahr im »Würfel« Platz. »Wie die Schule die Räume dann belegt, entscheidet sie selbst.«
Bis es so weit ist, müssen die insgesamt 80 Container, aus denen sich der »Spandauer Würfel« zusammensetzen wird, jedoch erst einmal »ertüchtigt« werden. Und hier gibt es noch einiges zu tun. Wie BIM-Sprecherin Katja Cwejn erläutert, müssen die wegen des Rückgangs der Geflüchtetenzahlen nicht mehr genutzten Wohnunterkünfte für die »vorgesehene temporäre Schulerweiterungsnutzung« nicht nur »energetisch aufgewertet und anders beheizt werden«. Auch bei der Trittschall- und Geräuschdämmung, der Tageslicht- oder der Belüftungssituation muss die BIM noch einmal ordentlich nachrüsten. Hinzu kommen statische Herausforderungen. Schließlich waren die Tempohomes nur für eine einstöckige Nutzung vorgesehen.
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Und noch einen Schönheitsfehler hat der »Würfel«: Es handelt sich um einen temporären Bau, der nach fünf Jahren Nutzung rein theoretisch wieder abgeräumt werden muss. Komplett ausgeschlossen ist eine darüber hinausgehende Nutzung indes auch nicht. »Für eine Verlängerung müssten dann wieder die notwendigen Genehmigungen eingeholt werden«, so Cwejn.
Trotz allem, sagt Linke-Politikerin Regina Kittler, überwiegen die Vorteile bei dem Projekt: »Die Nachnutzung von Tempohomes wie jetzt in Spandau würde auch an anderen Schulstandorten der Stadt Abhilfe schaffen.«
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