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Auf der Müllspur des Spektakels
Tom auf Tour: Einen Tag vor den Radprofis eroberten Terroropfer den Mount Ventoux
Der Klimawandel setzt dem Radsport zu. Auf Hitzeschlachten folgen Temperaturabstürze, so wie in dieser dritten Tour de France-Woche. Ganze Etappen wurden beim Giro d’Italia wegen Wetterunbilden abgesagt oder umverlegt. Die Tour de France 2019 wurde auf einer wegen Schlammlawinen verkürzten Etappe entschieden. Verhältnismäßig spät verlassen die Rennorganisatoren im Profiradsport ihre bequeme Position, über das Wetter und die damit verbundenen Probleme nur zu klagen und werden selbst aktiv.
Die Tour de France hat sich ein Nachhaltigkeitsprogramm verpasst. Bis 2024 soll jedes Auto im Konvoi - ausgeschlossen die Lastwagen von Teams und Werbekarawane - von alternativen Energiequellen angetrieben sein. Dazu zählt Ausrichter ASO neben E-Mobilen auch Hybridfahrzeuge sowie andere Antriebsformen wie Flüssiggas und Wasserstoff. Schon jetzt setzt sich Tourdirektor Christian Prudhomme bei einzelnen Etappen in ein E-Auto. Allerdings nur dann, wenn die Reichweite dies zulässt und eine der mittlerweile 1500 Ladestationen vom Werbepartner Enedis in der Nähe ist. Das französische Fernsehen setzt nach Auskunft der ASO bereits Fahrzeuge mit Flüssiggas ein. Ein Generator, der auf Wasserstoffbasis funktioniert, hält bei dieser Tour das Tor, das den Zwischensprint markiert, mit Pressluft gefüllt.
Es sind zahlreiche Stellschrauben, an denen die Tour aktuell dreht. Sie muten winzig an, wenn man sich die Dimensionen des Spektakels betrachtet. Auf 184 Radprofis kommen 450 Betreuer, die allesamt in Autos unterwegs sind. 150 Fahrzeuge umfasst die Werbekarawane, 4500 Personen umfasst der gesamte Tross aus Mitarbeitern, Journalisten und anderem Begleitpersonal. Dazu kommen 300 Gendarmen, die täglich mit dem Rennen mitreisen sowie 29 000 Polizisten und Feuerwehrleute, die im ganzen Land die Strecke absperren. Von ihnen kommt niemand zu Fuß oder mit dem Rad zum Einsatzort.
Immerhin ist ein Problembewusstsein zu beobachten. Wie es im Radsport unrühmliche Tradition ist, treffen die härtesten Maßnahmen aber die mit der schwächsten Lobby. Werfen Radprofis ihre Trinkflaschen außerhalb der neuen Müllzonen weg, müssen sie 500 Schweizer Franken berappen. Das Geld, mittlerweile mehr als 5000 Franken, geht freilich nicht an Umweltaktivisten. Vielmehr streicht es sich der Weltverband ein.
Verständnis haben die wenigsten Profis dafür. »Meine Liebe zum Radsport wurde als Kind auch geweckt, weil ich am Straßenrand Trinkflaschen von den Fahrern bekam«, sagt Vincenzo Nibali zu »nd«. Die Flaschen sind auch jetzt begehrt, trotz Corona und der Furcht vor Tröpfcheninfektion. Am Straßenrand bleiben sie schon allein deswegen nicht liegen, weil die Fans so scharf auf sie sind.
Der Müllreduzierungs- und Plastikvermeidungsplan der ASO beinhaltet aber auch sinnvollere Aspekte. So werden Werbegeschenke und die täglichen Zeitungen im Startvillage nicht mehr in Plastikbeuteln übergeben, sondern ganz ohne Beutel oder in Behältnissen aus Recyclingmaterialien. Die Werbepartner wurden aufgefordert, »sinnvollere Produkte herzustellen und dabei umweltfreundliche Materialien aus Frankreich zu benutzen«. Sinnvolle Werbegeschenke? Wird das umgesetzt, handelt es sich um eine regelrechte Merchandisingrevolution.
Bei den Rennställen kommt bis auf die Strafen für die Fahrer noch nichts an. Keine Forderung nach alternativen Antrieben oder weniger Fahrzeugen. »Wenn die Tour damit anfängt, sollte sie sich erst einmal um ihr unnützes Village, in das niemand reindarf, kümmern«, meint ein Teambetreuer.
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