Mehr Datenschutzverletzungen in Jobcentern

Während der Corona-Pandemie haben meldepflichtige Verstöße enorm zugenommen

Die Zahl der meldepflichtigen Datenschutzverstöße bei den Agenturen für Arbeit und Jobcentern haben seit Beginn der Corona-Pandemie stark zugenommen. Das geht aus der dem »nd« vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der sozialpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Katja Kipping, hervor.

Die Zahl der Meldungen sind demnach im ersten Halbjahr 2021 um rund 64 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gestiegen. Vergleicht man das erste Quartal 2021 mit dem ersten Quartal 2020, also dem Beginn der Pandemie in Deutschland, so lag die Steigerung sogar bei gut 75 Prozent. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 6326 Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten gemeldet, 2021 waren es schon im ersten Halbjahr 4948 Fälle.

Die Datenschutzverstöße treten zum Beispiel bei den zentral verwalteten informationstechnischen Verfahren auf. Den Großteil der Meldungen im Jahr 2020, rund 85 Prozent, sind jedoch auf Fehlversendungen durch die Poststellen vor Ort zurückzuführen. »Die Anzahl der Meldungen ist unter anderem dem durch die Corona-Pandemie erhöhten schriftlich zu bearbeitenden Postaufkommen in den Dienststellen geschuldet«, begründet die Bundesregierung die Entwicklung in ihrer Antwort.

»Die Coronakrise zeigt wie in einem Brennglas die Schwachstellen beim Umgang mit besonders sensiblen Daten«, kommentiert Kipping die zunehmenden Datenschutzverletzungen. »Beziehende von Sozialleistungen müssen sensibelste Informationen zum Beziehungsstatus, zu Wohnverhältnissen sowie zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen offenlegen. Dass sie derzeit nicht immer darauf vertrauen können, dass diese Informationen nicht an unberechtigte Dritte gelangen, ist nicht hinnehmbar.«

Schon seit Jahren gibt es immer wieder Kritik an dem mangelhaften Datenschutz der Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit. Es sind zahlreiche Vorfälle bekannt: So hat das Jobcenter Gütersloh im Jahr 2019 persönliches Datenmaterial, ohne dieses vorher zu schreddern, für jeden zugänglich in fünf blauen Papiertonnen entsorgt. Im Jobcenter Cochem Zell wurden, ebenfalls 2019, sensible Daten so archiviert, dass auch Mitarbeitende aus anderen Behörden wie dem Veterinäramt Zugang zu diesen hatte. Zwei Beispiele von vielen.

Auch die Kontrollberichte des Bundesdatenschutzbeauftragten haben oft eklatante Mängel beim Datenschutz der Jobcenter offenbart. Erst vor wenigen Tagen wurden Kontrollberichte über die Tätigkeit des behördlichen Datenschutzbeauftragten in 16 Jobcentern veröffentlicht. Festgestellt wurde darin unter anderem eine mangelnde Arbeitskapazität der Datenschutzbeauftragten sowie die Wahrnehmung weiterer Aufgaben, »die sich nachteilig auf die Tätigkeit und die Unabhängigkeit« auswirken.

Die aktuell stark zunehmenden Fehlversendungen von Briefen sind ebenfalls keine kleinen Datenschutzvergehen. Die Schriftwechsel enthalten nämlich extrem persönliche Daten und dürfen unter keinen Umständen unfreiwillig an Dritte weitergegeben werden.

Solche Fehlsendungen wurden bereits in vergangen Datenschutzkontrollbesuchen bemängelt. »Darin, dass solche Versäumnisse weiterhin tausendfach auftreten, sehe ich ein eklatantes Versagen der Verantwortlichen«, so Kipping.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!