Wo die meisten gefährdeten Häuser stehen
Unterschätztes Risiko »Starkregen«
In den vergangenen Sommern fiel in vielen Regionen Deutschlands zu wenig Regen. Jetzt aber gießt es viel zu viel. Doch soll es hier nicht um die teilweise verheerenden Folgen für Menschen und Umwelt gehen. Starkregen hat auch eine wirtschaftliche Seite - vor allem für die Versicherungsbranche.
Für Beschädigungen durch Starkregen, Sturm und weitere Naturgefahren wie Hagelschlag haben die Versicherer im vergangenen Jahr rund 2,5 Milliarden Euro gezahlt. Das geht aus Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor. Die versicherten Schäden an Häusern, Hausrat, Kraftfahrzeugen sowie in Gewerbe und Industrie lagen damit rund 500 Millionen Euro unter dem Wert von 2019 und deutlich unter dem langjährigen Mittel von etwa 3,7 Milliarden Euro. Die Versicherungswirtschaft befürchtet nun nach dem Starkregen im Juni 2021, dass dieses Jahr zum schadenträchtigsten werden könnte.
Dabei spielen Starkregen-Ereignisse in Euro und Cent normalerweise eine kleinere Rolle. Auf Sachversicherung (ohne Kfz) entfielen 2020 rund 2 Milliarden Euro, davon entstanden 1,6 Milliarden durch Sturm oder Hagel - doch lediglich 400 Millionen Euro durch weitere Naturgefahren wie Starkregen. Starkregen bedeutet, dass es in einer Stunde mehr als 25 Liter pro Quadratmeter regnet. Im Ruhrgebiet und in der Eifel waren es Mitte Juli jeweils mehr als 150 Liter - und das obendrein als Dauerregen über viele Stunden.
Wuppertal die höchste, Kiel die geringste Gefährdungsklasse
Die bergische Stadt Wuppertal hat aufgrund ihrer geografischen Lage bundesweit die meisten Gebäude, die bei unwetterartigem Regen hoch gefährdet sind. Jedes siebte Haus steht hier in einem Tal oder in der Nähe eines kleineren Gewässers und ist deshalb in die höchste Starkregen-Gefährdungsklasse eingeordnet. Tatsächlich traf es die Geburtsstadt von Friedrich Engels Mitte Juli besonders hart.
In der schleswig-holsteinischen Hauptstadt Kiel dagegen liegen nur 2,5 Prozent der Gebäude in der höchsten Gefährdungsklasse. An der Küste baut man traditionell vorsichtiger. Dies und anderes zeigt ein vom GDV im April veröffentlichter Vergleich, der die fünfzig einwohnerstärksten Städte in Deutschland untersucht hat. Eine Übersicht mit detaillierten Stadtkarten finden Sie im Internet auf gdv.de.
Dabei ist es weniger die Natur (die längst nicht mehr natürlich ist), welche Schäden verursacht. Das mag zunächst paradox klingen, wird aber von Experten bestätigt. In gefährdeten Gebieten »steigt die Dichte und der Wert von Immobilien und Infrastruktur, den sogenannten Exposures«, so der weltgrößte Rückversicherer Munich Re. Bei gleichem Verlauf einer sogenannten Naturkatastrophe ist der materielle Schaden heute oft zwei bis drei Mal so hoch wie in den 90er Jahren - inflationsbereinigt.
Die Erfahrungen zeigen: Je tiefer ein Gebäude liegt, desto höher ist der Schaden. Viele Gebäude liegen sicherheitstechnisch viel zu tief. Gesiedelt und gebaut wird bis heute oft in Gegenden, die eigentlich aufgrund potenzieller Umweltgefahren gemieden werden sollten. Doch gerade Wohnen am Wasser gilt seit Jahren als besonders schick. Leider wird häufig nicht ausreichend wetterfest gebaut.
Erst Gefahren-Check, dann Geld für eine Police ausgeben
Anderseits haben viele Kommunen auf die Gefährdung durch Starkregen und folgende Überschwemmungen durchaus schon vor Jahrzehnten reagiert. Weitere Maßnahmen erfolgten nach dem durch Starkregen ausgelösten Hochwasser in Mitteleuropa im Jahr 2013. Besonders stark betroffen war damals zunächst Westsachsen. Seither werden vielerorts zusätzliche Kanäle in Ortschaften gebaut, Flussbetten verbreitert, Barrieren und Dämme tief im Binnenland erhöht.
Hamburg ging jetzt noch einen Schritt weiter. In der Stadt ist man sich der furchtbaren Flutkatastrophe von 1962 sehr bewusst. Im Juni veröffentlichte der Senat eine »Starkregengefahrenkarte« (unter www.geoportal-hamburg.de). Diese Karte ist weit differenzierter als das Angebot des GDV. Mit Hilfe der Karte können Grundstückseigentümer und ihre Mieter herausfinden, ob sich für ihr Grundstück eine Gefährdung durch Starkregen ergeben kann.
Wenn Sie andernorts leben, könnte sich ein Blick auf die Informations- und Kommunikationsplattform Wasserblick.net lohnen, die von Bund und Länder erstellt wurde. Diese finden Sie auf der etwas unübersichtlichen Internetseite der Bundesanstalt für Gewässerkunde (www.bafg.de).
Spätestens wenn aufgrund solcher Recherchen eine Gefährdung entdeckt wird, sollten Grundstückseigentümer überprüfen, welche Gefahren konkret entstehen könnten. Hierzu eignet sich - bundesweit - hervorragend eine Checkliste, wie sie in der »Starkregenbroschüre« des hamburgischen Projektes »RISA - Regen-Infra-Struktur-Anpassung« zu finden ist (www.risa-hamburg.de).
Die Elementarschadenversicherung ist besonders wichtig, aber teuer
Schäden durch Überschwemmungen nach Starkregen können durch unterschiedliche Versicherungsarten reguliert werden. Überschwemmungsschäden an Autos und Motorrädern begleicht etwa die Teilkasko. Die Hausratversicherung zahlt auch - jedoch nur, wenn eine Elementarschadenversicherung besteht.
Infolge der jüngsten Unwetter dürften Bund und Länder Unterstützung für Geschädigte anbieten, die existenziell getroffen sind. Hausbesitzer erhalten aber auch in diesem Fall wahrscheinlich nur dann Geld, wenn sie nachweisen, dass sie sich erfolglos um einen Elementarschadenschutz bemüht haben. Dazu kommt es, weil Versicherer die Übernahme eines Risikos verweigern oder die Police extrem teuer wäre. Beides ist, nach den Erfahrungen von Verbraucherschützern, öfter der Fall.
Für Hausbesitzer und ihre Mieter dreht sich also alles um die Elementarschadenversicherung, die Teil der Wohngebäudeversicherung sein kann. Der Schutz gilt vor allem bei Schäden durch Überschwemmungen durch Hochwasser und Starkregen, Erdrutsch, Lawinen, Erdbeben. Sie ist aber nicht leicht zu bekommen und aufgrund enormer Preisunterschied nicht immer günstig (siehe nebenstehend).
Was steckt hinter den Starkregen-Gefährdungsklassen?
In den Starkregen-Gefährdungsklassen wird differenziert: Zur SGK 1 (»geringere Gefährdung«) gehören alle Gebäude, die auf einer Kuppe oder am oberen Bereich eines Hangs liegen. In der SGK 2 (»mittlere Gefährdung«) finden sich die Gebäude, die in einer Ebene oder im unteren/mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Baches liegen. Und in der SGK 3 (»hohe Gefährdung«) werden alle Gebäude zusammengefasst, die im Tal oder in der Nähe eines Baches oder Flusses liegen.
Deutschlandweit liegen knapp 12 Prozent aller Adressen in der SGK 3, etwa 66 Prozent in der SGK 2 und annähernd 23 Prozent in der SGK 1. In Thüringen sind sogar ein Viertel der Gebäude der höchsten Gefahrenklasse SGK 3 zugeordnet. Damit liegt Thüringen in der Bewertung der Bundesländer auf Rang 1, gefolgt von Sachsen und Rheinland-Pfalz.
Eine geringere Gefährdung bedeutet jedoch nicht, dass hier kein Risiko besteht. »Unsere Statistiken zeigen: Starkregen kann überall, auch weit ab von Gewässern oder in Tallagen, zu Überschwemmungen führen und immense Schäden anrichten«, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Noch ein Hinweis: Viele Hauseigentümer in Ostdeutschland haben eine Wohngebäudeversicherung mit DDR-Police. Damit sind sie nach Auffassung der Stiftung Warentest »gut versichert«. Denn in den noch heute gültigen Verträgen sind auch Überschwemmungsschäden enthalten.
Wie man sich gegen Naturgefahren richtig versichert, erläutern die Experten der Stiftung Warentest ausführlich auf www.test.de.
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