Laizismus in Frankreich jetzt Chefsache

Premierminister Jean Castex bekräftigt das Prinzip der Neutralität des Staates zu allen Religionen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Premierminister Jean Castex macht die Verteidigung der Laizismus, also der Neutralität des Staates gegenüber allen Religionen - was aber auch umgekehrt zu gelten hat - zur »Chefsache«. Ein ihm direkt unterstelltes Interministerielles Komitee für Laizismus hat Ende der vergangenen Woche seine Arbeit aufgenommen. Es ersetzt das im Juni aufgelöste Observatorium für Laizismus, dem Politiker der Regierung und der rechten Opposition zu große Nachsicht gegenüber den Bestrebungen von Islamisten vorgeworfen haben, für die Muslime in Frankreich Sonderrechte durchzusetzen.

Wie Regierungschef Castex bei der Einsetzung des Komitees erklärte, soll es »das Gleichgewicht des weltweit einmaligen französischen Modells verteidigen, die Ausübung der individuellen Freiheiten und insbesondere der Religionsfreiheit mit den Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Republik zu vereinbaren«. Das neue Komitee soll die Arbeit der öffentlichen Einrichtungen und vor allem des Innenministeriums sowie der Ministerien für den Öffentlichen Dienst und für Volksbildung mit den Organisationen der Muslime und anderer Religionen koordinieren. Es soll beispielsweise die Aktivitäten von Islamisten und ihrer Gruppierungen in Frankreich beobachten, analysieren und nötigenfalls Regierungsdekrete oder neue Gesetze vorschlagen, um eine Unterwanderung der Grundprinzipien der Republik durch eine Politisierung des Islam zu unterbinden.

Als erste Maßnahme bekommen die Präfekte als Vertreter des Staates in den mehr als 100 Départements das Recht, über die Anrufung der Verwaltungsgerichte und entsprechende Schnellverfahren einzugreifen, wenn Kommunen Entscheidungen treffen, die dem Laizismus zuwiderlaufen. Dazu gehören beispielsweise die kostenlose Bereitstellung öffentlicher Gebäude für religiöse Zwecke oder kommuneeigener Grundstücke für den Bau von Moscheen, Tempeln oder Kirchen, aber auch Zuschüsse aus der Stadtkasse für deren Bau oder Unterhaltung.

Eine weitere Maßnahme, die schon in Kürze in Kraft gesetzt wird, ist eine neue Vorschrift für religiöse Vereinigungen, sich per Unterschrift zur Einhaltung der Gesetze und Prinzipien der Republik zu verpflichten. Bei Zuwiderhandlungen riskieren sie die Auflösung der Vereinigung und die Schließung der von ihr getragenen Religionseinrichtungen. Zu den 17 Prinzipien, die dem neuen Komitee für seine Aktivitäten mit auf den Weg gegeben wurden, gehört die Weiterbildung aller Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu Fragen und Problemen des Laizismus bis spätestens 2025. Das gilt besonders für Lehrer, die tagtäglich Angriffen von Schülern und Eltern ausgesetzt sind, wenn sie im Unterricht beispielsweise die Abstammungslehre, die Geschichte der Religionen, Fragen der Sexualität oder die Gleichstellung von Mann und Frau behandeln. Es betrifft in zunehmendem Maße aber auch Mitarbeiter öffentlicher Krankenhäuser und anderer Gesundheitseinrichtungen, weil sich Muslime weigern, ihre Frauen oder Töchter durch Ärzte und nicht durch Ärztinnen untersuchen und behandeln zu lassen.

Um bei solchen Vorkommnissen schnell zu reagieren und Konflikte möglichst zu schlichten, sollen in allen öffentlichen Einrichtungen entsprechend ausgebildete Vermittler benannt werden. Das wird gegenwärtig schon an einer Reihe von Schulen praktiziert und hat sich bewährt. Das neue Komitee soll mindestens zweimal im Jahr zu Plenartagungen zusammenkommen, auf jeden Fall jeweils am 9. Dezember.

Dieser neu geschaffene »Tag des Laizismus« erinnert an das Inkrafttreten des Gesetzes von 1905 über die Trennung von Kirche und Staat. Damit wurde seinerzeit ein innenpolitischer Machtkampf zwischen den Vertretern der Republik und klerikal-katholischen Kräften entschieden, der 1894 mit der antisemitischen Dreyfus-Affäre begann und 1904 in dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Vatikan gipfelte.

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