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Fliegendes Auge
Nordrhein-Westfalen bekämpft mit einer Drohne »Sozialleistungsbetrug«
Seit langem profiliert sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul als harter Verfolger der sogenannten Clankriminalität. Bei großangelegten Razzien in Shishabars und Spielhallen ist der CDU-Politiker gern persönlich anwesend. Trotz meist bescheidener Ausbeute bei den Durchsuchungen sind »kriminelle arabische Großfamilien« durch solche Auftritte regelmäßig Gegenstand von Medienberichten.
Jetzt wurde durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko bekannt, dass das Landeskriminalamt (LKA) von NRW zur »zur Aufklärung krimineller Strukturen« auch eine Drohne einsetzt. Das Bundesinnenministeriums schreibt, das Bundeskriminalamt (BKA) habe die über einen EU-Fonds für Innere Sicherheit finanzierte Drohne für das Projekt »Union« zur Bekämpfung von »Sozialleistungsbetrug durch Unionsbürger« beschafft. Es sei in das Eigentum des Landes NRW übergegangen.
Laut der Antwort der Regierung, die »nd« vorliegt, geht es bei dem Projekt um Banden, die eigene Landsleute aus EU-Staaten in Südosteuropa, vor allem Bulgarien und Rumänien, nach Deutschland holen. Diese sollen hierzulande unberechtigt Sozialleistungen erhalten. Das Geld werde größtenteils von den Hintermännern einbehalten. Diese träten etwa als Arbeitgeber, Vermieter, Dolmetscher oder »Betreuer« auf. Ziel des Projekts sei es, den organisierten Leistungsbetrug durch Bürger aus EU-Staaten zu bekämpfen. Dabei solle »ein umfassender Überblick zu den personellen und kriminellen Strukturen erlangt und entsprechende Ermittlungsverfahren initiiert werden«.
Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) bestätigte zwar die Anschaffung der Drohne. Ein Sprecher erklärte jedoch, aus ermittlungstaktischen Gründen könne man nicht sagen, wann und bei welchen Anlässen das Gerät eingesetzt werde.
Das Projekt hat nach Angaben der Bundesregierung am 1. Dezember 2019 begonnen und endet zum 31. Oktober dieses Jahres. Welcher Hersteller die Drohne geliefert hat, teilte die Regierung nicht mit.
Andrej Hunko erklärte zu dem Vorgang, organisierter Leistungsbetrug müsse natürlich strafrechtlich verfolgt werden. Dass die Polizei in NRW zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) dies mit einer Drohne tue, wirke jedoch »surreal«. »Die halbe Million Euro für das Projekt ließe sich sicherlich sinnvoller verwenden«, kritisiert Hunko.
Am 16. Juni hatten Ermittler im Raum Düren sieben Männer festgenommen, denen unter anderem Menschenhandel und Sozialleistungsbetrug vorgeworfen wurde. Wie die Staatsanwaltschaft Aachen und das LKA NRW mitteilten, ging es zudem um den Verdacht der Steuerhinterziehung. Vier der Festgenommenen gehören laut LKA zu einer »türkischstämmigen Großfamilie«, die »dem Bereich Clankriminalität zuzurechnen« sei. Die Beschuldigten sollen Arbeiter, die vorwiegend aus Moldau und Rumänien stammten, für Löhne von weniger als fünf Euro pro Stunde in Abbruchfirmen beschäftigt haben, ohne Steuern zu zahlen und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Gleichzeitig sollen sie Sozialleistungen kassiert und den Schwarzarbeitern Wuchermieten abgeknöpft haben.
Wie die Bundesregierung in einer früheren Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion mitteilte, hatte die Kommission Organisierte Kriminalität (KOK) im Oktober 2018 beschlossen, »die Bekämpfung von Kriminalität durch Mitglieder ethnisch abgeschotteter Subkulturen zu intensivieren und diesbezüglich ein dauerhaftes Netzwerk aufzubauen«. Der Kommission gehören Vertreter des BKA, der Landeskriminalämter, der Bundespolizei und des Zolls an. Neben dem Projekt »Union«, für das die Drohne beschafft wurde, gibt es laut der aktuellen Regierungsantwort weitere Projekte der KOK. Bei einem geht es um »Clankriminalität« bundesweit, bei einem unter Federführung des LKA Bayern um den Onlinehandel mit sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen und bei einem des LKA Baden-Württemberg um »Organisierte Rauschgiftkriminalität Kosovo Albanien«.
Neben der unbeantworteten Frage zur Nutzung der Drohne ließ die Bundesregierung auch andere Detailfragen von Hunko unbeantwortet. Die Regierung begründete dies stets mit dem Verweis, diese Informationen seien als »Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch« eingestuft. mit dpa
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