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Festung Österreich als Pausenfüller
Wien verstärkt zur Abwehr von Flucht und Migration die militärische Präsenz an der Grenze zu Ungarn
Gewisse Aussagen werden erst durch die Szenerie, in der sie getätigt werden, komplettiert. Wenn etwa ein Politiker sagt, »das europäische Asylsystem ist gescheitert«, so haben diese Worte eine ganz unterschiedliche Wirkung, je nachdem ob sie in einer Flüchtlingsunterkunft, auf einem Volksfest oder am Badestrand fallen. Oder aber, wie jetzt im Fall des österreichischen Innenministers Karl Nehammer, vor schwer bewaffneten Polizisten und Soldaten getätigt werden. Das Bild von Männern mit Sturmgewehren, aufgereiht vor einem gepanzerten Mannschaftsfahrzeug, sollte die Aussagen des ÖVP-Politikers unterstreichen.
Die Botschaft, die Nehammer und Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bei ihrem Pressetermin der Öffentlichkeit übermittelten, ist unmissverständlich: »Wir erleben, dass die Aufgriffszahlen an der österreichischen Grenze wieder steigen, vor allem an der Grenze zu Ungarn«, so Nehammer. Und weiter: »Wir ziehen daher unser Sicherheitsnetz an der österreichischen Grenze massiv hoch und fordern zusätzliche Soldaten des Bundesheeres an.« In anderen Worten: Österreich verstärkt seine militärische Präsenz an der Grenze zu Ungarn. Diese Maßnahme, so beide ÖVP-Politiker, sei »notwendig«.
Assistenzeinsatz heißt das auf Österreichisch. Bisher waren bereits knapp 600 Mann zur Unterstützung der Exekutive an der Grenze zu Ungarn stationiert. Dieses Kontingent soll jetzt also um ein Bataillon von 400 Soldaten aufgestockt werden. In Summe werden damit an österreichischen Außengrenzen 1400 Heeresangehörige stehen. Den Anstieg der Angriffe auf die Landesgrenze bezifferte Nehammer mit bereits 15 768 im laufenden gegenüber 21 700 im gesamten Vorjahr.
Die jetzige Aufstockung ist allem Anschein nach noch nicht das Ende der Fahnenstange: Der genaue Bedarf an Soldaten an den Grenzen zur Slowakei, zu Slowenien und vor allem zu Ungarn würde laufend neu abgeschätzt, erläuterte Ministerin Tanner. Denkbar wäre, dass bis zu 2000 Soldaten an die Grenze verlegt werden.
Dabei ist der Assistenzeinsatz ein Dauer-Pausenfüller in der österreichischen Politik. Eingerichtet worden war er 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs für zunächst zehn Wochen - und wurde bis 2011 immer wieder verlängert. 2015 kehrte er zurück. Verändert hat sich nur das angebliche Bedrohungsbild: Waren es früher kriminelle Banden aus dem Osten, denen die Thuja-Hecken im Grenzgebiet nicht standhielten und vor denen burgenländische Häuslbauer und Kleingärtner zu schützen waren, so wurden daraus im Laufe der Jahre Migranten. Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes wird dabei von vielen Seiten infrage gestellt: Denn an sich dürfen die Soldaten nicht mehr, als Zwischenfälle an die Exekutive melden. Für Kritiker geht es vor allem um ein gezieltes Schüren von Ängsten.
Aber das funktioniert blendend: FPÖ-Chef Herbert Kickl nutzte die Gelegenheit und attestierte Nehammer »Totalversagen«. Er sprach von »explodierenden Zahlen«, die Nehammer verschlafen habe. Praktisch in dieselbe Kerbe schlägt auch Österreichs Sozialdemokratie. Die Ankündigung sieht sie als ein »Eingeständnis der ÖVP«, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz »in der Politik gegen illegale Migration vollkommen versagt hat«. Und die liberalen NEOS fragen, wie es sein kann, dass die Regierung schon wieder zusätzliche Soldaten an die Grenze schicken muss, »wenn doch die ÖVP seit vielen Jahren für die Sicherheit Österreichs zuständig ist«.
Auffällig an der Inszenierung der Minister vor Soldaten und Polizisten ist allerdings vor allem die geballte Ladung trotziger Breitseiten gegen die EU. Denn, so Nehammer, obwohl Österreich eines der am stärksten von Migration betroffenen Länder Europas sei, bekomme man »keine Unterstützung vonseiten der EU-Kommission, die sich damit aufhält, über Verteilungsfragen von Flüchtlingen zu debattieren«. Das kommt übrigens von jenem Minister, der im März behauptete, Österreich habe im Vorjahr 5000 unbegleiteten Minderjährigen Schutz gewährt. In Wahrheit waren es 186.
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