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Cum-Ex-Geschäfte sind illegal
Bundesgerichtshof bestätigt Strafbarkeit von krummen Deals
Der Schaden ging in die Milliardenhöhe, doch die Akteur*innen im größten Steuerskandal der Nachkriegsgeschichte behaupteten bisher stets, nichts Kriminelles getan zu haben. Schließlich habe eine Gesetzeslücke die Cum-Ex-Geschäfte möglich gemacht. Doch spätestens seit Mittwoch können sich die Schuldigen nicht mehr auf diesen Standpunkt zurückziehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Aktiendeals zu Lasten des Fiskus als strafbar eingestuft.
Bei Cum-Ex-Deals handelt es sich um Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag, bei denen nicht eindeutig klar war, wem die Wertpapiere zum fraglichen Zeitpunkt gehörten. Die Akteur*innen nutzten dies aus, um sich eine Rückerstattung der angeblich gezahlten Kapitalertragssteuer zu erschleichen, obwohl diese in Wirklichkeit gar nicht entrichtet wurde. Möglich machte diesen illegalen Trick eine Gesetzeslücke, die von der Bundesregierung erst 2012 geschlossen wurde, obwohl sie dem Bundesfinanzministerium schon Jahre zuvor bekannt war.
Den durch Cum-Ex-Deals entstandenen Schaden beziffern Expert*innen auf mindestens zehn Milliarden Euro. Zusammen mit ähnlich gelagerten Geschäften beläuft sich der Verlust europaweit auf schätzungsweise 55 Milliarden Euro, wovon 30 Milliarden Euro auf Deutschland entfallen. Mit der politischen Aufarbeitung des Skandals beschäftigte sich in den Jahren 2016 und 2017 ein auf Betreiben von Linkspartei und Grünen eingerichteter Untersuchungsausschuss des Bundestages, vor dem unter anderem auch die beiden ehemaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) aussagen mussten.
Zu dem Verfahren vor dem BGH in Karlsruhe kam es, weil die Privatbank M.M. Warburg und zwei Ex-Börsenhändler gegen ein im März 2020 gefälltes Urteil des Bonner Landgerichts Revision eingelegt hatten. Im bundesweit ersten Strafprozess um Cum-Ex-Deals erhielten die beiden Börsenhändler wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe Bewährungsstrafen. Zudem sollte einer von ihnen durch die Deals erzielte Profite von 14 Millionen Euro zurückzahlen. Gegenüber der Bank belief sich die geforderte Summe auf rund 176 Millionen Euro.
Scholz und die Klassenjustiz - Simon Poelchau über das BGH-Urteil zu Cum-Ex-Deals
Mit dem nun gefällten Urteil verwarf der BGH die Revision. Er bestätige damit die Auffassung der Vorinstanz, »dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt«, teilte der BGH mit. An der vorsätzlichen Begehung einer Straftat könne kein Zweifel bestehen, »weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben«. Auch habe das Gesetz schon zum Tatzeitpunkt klare und eindeutige Regeln vorgesehen, gegen die die Beteiligten verstoßen hätten.
Unterdessen hat das Urteil für die Opposition auch eine politische Dimension. »Das Urteil ist eine Ohrfeige für Finanzminister Olaf Scholz, der sich als Erster Bürgermeister von Hamburg mehrfach mit dem in einem laufenden Steuerverfahren Beschuldigten Warburg-Bankier Olearius traf«, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Fabio De Masi. Nur Gerichte hätten am Ende eine Verjährung der Cum-Ex-Tatbeute der Warburg Bank zum Schaden Hamburgs unterbunden.
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