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Berlin schickt Fregatte in den Pazifik
US-Verteidigungsminister predigt »integrierte Abschreckung« gegenüber China und fordert Engagement
Etwa ein halbes Jahr wird die Fregatte »Bayern« zwischen dem Horn von Afrika, Australien und Japan unterwegs sein. Es handle sich »um eine übliche Präsenz- und Ausbildungsfahrt«, teilte die Marineführung mit und verwies auf ähnliche Fahrten vor 2016. Danach habe man einfach nicht mehr über die entsprechenden Reserven verfügt. Man kann das glauben, so wie man dem neuen Marinechef, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, glauben kann, dass es nur darum gehe, aufseiten der »internationalen Wertepartner für die Freiheit der Seewege und die Einhaltung des Völkerrechts in der Region« einzustehen und dabei nebenbei auch die Einhaltungen der UN-Sanktionen gegen Nordkorea zu überwachen.
Ohne Zweifel jedoch stimmt die Aussage der Marineführung, dass der Indopazifik »die strategisch wichtigste Region der Erde« ist und hier »wichtige Entscheidungen über Freiheit, Frieden und Wohlstand in der Welt« fallen. Was in den aufwendigen Begründungsversuchen zur »Bayern«-Expedition nicht fällt, ist der Begriff China.
Weniger verschwommen argumentierte der US-Verteidigungsminister in der vergangenen Woche bei seinem ersten Besuch in der Region. Lloyd Austin folgte bei der 40. Fullerton-Vorlesung, die vom Internationalen Institut für Strategische Studien organisiert wurde, inhaltlich haargenau seinem Chef. Während US-Präsident Joe Biden seit seinem Amtsantritt zu Jahresbeginn die US-Verbündeten im indopazifischen Raum immer wieder aufgerufen hat, eine neue regionale Ordnung zu begründen, erläuterte Austin seine Vision einer »integrierten Abschreckung«. Die beinhalte das gesamte denkbare Konfliktspektrum samt Grauzone. Im Gleichschritt mit den Verbündeten und Partnern ist dabei »jedes militärische und nichtmilitärische Instrument« recht. Einzige Bedingung: Alles müsse unterhalb der Schwelle zum totalen Krieg bleiben.
Der Pentagon-Chef verwies auf eine kürzlich durchgeführte, großangelegte Übung in Japan sowie die Manöver »Pacific Vanguard« und »Talisman Sabre« bei denen die USA, Japan, Australien und Südkorea »integrierte maritime Operationen der Spitzenklasse« durchführten. Austin erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich China als selbstbewussten Akteur in der Region. Pekings Anspruch auf den größten Teil des Südchinesischen Meeres habe keine Grundlage im internationalen Recht und verletze die Souveränität anderer Staaten. Hart griff er Chinas »mangelnde Bereitschaft zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten und zur Achtung der Rechtsstaatlichkeit« in allen Bereichen an und beschuldigte das Land der »Aggression gegen Indien, der destabilisierenden militärischen Aktivitäten und anderer Formen des Zwangs gegen die Bevölkerung Taiwans«. Auch den »Völkermord« an den uigurischen Muslimen in Xinjiang ließ Austin nicht unerwähnt.
Derart grobe Worte werden nicht fallen, wenn die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag die Fregatte »Bayern« auf Reisen schickt. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach auf der virtuellen Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres nur davon, dass China an globaler Schlagkraft gewonnen habe und man dem als »transatlantisches Bündnis und als Demokratien der Welt« Taten entgegensetzen müsse. Dieses Signal an die damals noch neue US-Administration war deutlich, und nachdem Joe Biden Merkel in Sachen Nord-Stream 2 so viel politischen Kredit eingeräumt hat, ist nun »Zahltag« für die deutsche Regierung.
Dass Deutschland neue Töne gegenüber dem Reich der Mitte anschlägt, wurde bereits in den »Leitlinien zum Indopazifik« deutlich, die man vergangenes Jahr verabschiedete. In dem 70-Seiten-Papier erweitert Berlin seinen auf China verengten Blick auf den gesamten Raum des Indischen und des Pazifischen Ozeans. Denn: »Hier konkurrieren strategische Projektionen und verflechten sich globale Wertschöpfungsketten.« Der Anteil der Länder im Fernen Osten sowie Australiens und Neuseelands am deutschen Handelsvolumen betrug bereits 2019 mehr als 420 Milliarden Euro. Allein das Handelsvolumen mit China machte 206 Milliarden Euro aus und wuchs trotz Corona um weitere sechs Milliarden Euro. Deutschland ist angewiesen auf offene Seewege, offene Märkte, den Freihandel - und vor allem auf China. Zugleich aber will Berlin ein loyaler Alliierter der USA sein. Ein Spagat, der so nicht lange auszuhalten sein wird.
Deutschland ist das dritte EU- und europäische Nato-Land, das sich eine Strategie zum Indopazifik gibt. Den Anfang machte Frankreich vor rund drei Jahren. Paris hat als Überbleibsel seiner kolonialen Vergangenheit im Pazifischen wie im Indischen Ozean territoriale Ansprüche. Auch die Niederlande veröffentlichten eine Strategie für den Indopazifik. Japan, Australien, Kanada und Großbritannien schließen sich den »Freedom of Navigation Operations« der USA an. Dabei werden Gebiete durchfahren, die Peking für sich beansprucht. Frankreich schickte vergangenes Jahr ein Atom-U-Boot, die Niederlande eine Fregatte, aktuell ist ein britischer Trägerverband mit der »HMS Queen Elisabeth« unterwegs in die Region.
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