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Mecklenburg-Vorpommern hui, Thüringen pfui
Im wasserreichen Norddeutschland sind relativ wenige Gebäude bei Starkregen gefährdet. Das hat historische, behördliche und geografische Gründe
Wuppertal hat bundesweit die meisten Gebäude, die bei unwetterartigem Regen hoch gefährdet sind: Jedes siebte Haus wird in der nordrhein-westfälischen Stadt im Bergischen Land in die höchste Gefahrenklasse eingeordnet. Hoch im Norden, in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel sind dagegen nur 2,5 Prozent der Gebäude extrem gefährdet. Das zeigt ein Vergleich der einwohnerstärksten Städte, den der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kurz vor der jüngsten Überschwemmungskatastrophe im Westen veröffentlichte. Auf Länderebene sind demnach Immobilien in Thüringen besonders gefährdet. Fast jedes vierte Haus im Freistaat wird in die »Strakregen-Gefährdungsklasse 3« (SKG3) eingestuft.
In solchen Klassen stufen Versicherungsunternehmen ihr eigenes Risiko ein. SGK1 (»geringere Gefährdung«) umfasst Gebäude, die auf einer Kuppe oder am oberen Bereich eines Hangs liegen. In SGK2 (»mittlere Gefährdung«) finden sich Gebäude, die in einer Ebene oder im unteren/mittleren Bereich eines Hanges, aber nicht in der Nähe eines Baches liegen. Und in SGK3 (»hohe Gefährdung«) werden Gebäude im Tal oder in der Nähe eines Baches oder Flusses zusammengefasst. Dazu gehören deutschlandweit zwölf Prozent aller Adressen in SGK3. Besonders betroffen sind neben Thüringen die Bundesländer Sachsen und Rheinland-Pfalz.
In der GDV-Statistik fällt auf, dass die Länder im Norden besonders gut abschneiden. Niedersachsen, Bremen und Hamburg liegen deutlich unter dem Bundesschnitt. Und besonders sorglos lebt es sich demnach in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist insofern überraschend, als beide Länder - wie auch die nördlichen Regionen Niedersachsens - an sich besonders überschwemmungsgefährdet sind.
Das liegt weniger an Gefahren, die von Nord- und Ostsee drohen, als vielmehr an den Wasserständen im extrem niedrig gelegenen Binnenland. Beide Länder sind großenteils engmaschig von schmalen Wasserläufen durchzogen, um das fruchtbare Marschland zu entwässern. Die komplizierten Entwässerungssysteme bestehen aus einem dichten Netz aus Kanälen, Gräben und Fehnen, aus Pumpstationen und Sielen, die das überflüssige Wasser ins Meer leiten. Ohne diese ständige Entwässerung wäre die Marsch noch heute unpassierbar. Doch durch das Trockenlegen ist das Land teilweise unter den Meeresspiegel abgesackt. In der Wilstermarsch, einer der ältesten Landschaften Schleswig-Holsteins, befindet sich die tiefste Landstelle der Bundesrepublik (3,54 Meter unter NN). Was solche Gebiete besonders anfällig für Niederschläge macht.
Katastrophenschutz mangelhaft
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Allerdings ist Starkregen bislang kaum erforscht. In einem vierjährigen Projekt haben der Deutsche Wetterdienst und der Versicherungsverband GDV erstmals Starkregen- und Schadendaten bundesweit untersucht. Ein Ergebnis: »Kurze, schadenträchtige Starkregen sind in ganz Deutschland etwa gleich wahrscheinlich.«
Warum ist der Norden trotzdem besonders sicher? Im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Schwerin kann man die Frage »nicht seriös beantworten«. Ähnlich die Reaktion von anderen befragten Ministerien im Norden und vom Versicherungsverband. Ein Grund dürfte sich in der Historie finden. Einige Gebiete haben jahrhundertelange Erfahrungen mit Sturmfluten, bei denen durch begleitenden Starkregen das Grundwasser gefährlich hoch anstieg, Gräben zu reißenden Strömen wurden. Daraus lernend, wurden Häuser an weniger gefährdeten Stellen gebaut oder auf Warften, aus Erde und Müll aufgeschütteten flachen Hügeln.
Bei jüngeren Gebäuden hängt viel von der behördlichen Genehmigung von Bauanträgen ab. Zwischen den jeweiligen Gemeinden und wohl auch Bundesländern gibt es unterschiedliche Bewilligungspraktiken. So können Makler in Internet und Zeitungen häufig für (Luxus-)Immobilien am Wasser oder sogar im Wasser werben. Volles Risiko.
Schwieriger ist der passive Schutz in Städten. Im Hein-Klink-Stadion in Hamburg-Billstedt wird bei starkem Niederschlag das Wasser in riesige Tanks unter dem Platz geleitet. Laufen diese »Rigolen« voll, wird zunächst der tief liegende Platz gewässert. Das Stadion ist Teil eines bereits 2009 vom Senat initiierten Projekts namens RISA (Regen-In-frastruktur-Anpassung).
Der Naturschutzbund NABU verweist als Gefahrenherd unter anderem auf land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen hin, die so gestaltet sind, dass Regenwasser immer schnell abgeleitet wird. »Das führt bei Starkregenereignissen zu schnell und hoch auflaufenden Hochwasserwellen.« Die Agrarwirtschaft im Norden ist jedoch großflächiger als im Süden organisiert. Während dort Gehöfte und Flächen oft eine »geologische« Einheit bilden, sind sie im Norden voneinander getrennt und die Gebäude üblicherweise auf erhöhten Flächen errichtet.
Natürlich spielen viele Gründe in die Wirkung von Starkregen hinein, auch die lokale Geografie. So treten lange Dauerregen von zwölf Stunden und mehr vor allem in Gebirgsregionen auf. Wuppertal bietet dem Niederschlag daher »ideale« Bedingungen: Vom Bergland umgeben, liegt die Stadt selber in der Wuppertaler Senke.
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