Lkw ohne Assistenzsysteme aussperren

Gerade für ältere Menschen ist die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur eine Todesfalle

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Mann mit Rollator überquert schon kurz vor einem Fußgängerüberweg die Straße, um abzukürzen, er wird von einem Lkw-Fahrer nicht gesehen - und überfahren. Eine andere Person, ebenfalls mit Rollator, muss im Winter auf der Straße laufen, weil der Gehweg nicht geräumt ist, und wird von einem Auto erfasst, das die Scheibe nicht enteist hatte. Beide Unfälle enden tödlich. Diese beiden realen Szenarien schildert Volker Postel, Berliner Niederlassungsleiter der Sachverständigenorganisation Dekra, bei der Vorstellung des aktuellen Verkehrssicherheitsreports zum Thema Mobilität im Alter.

Während die Zahl der Verkehrstoten in ganz Deutschland 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 11,5 Prozent zurückgegangen ist, stieg sie in der Hauptstadt um ein Viertel, obwohl die Anzahl der Verkehrsunfälle um 14,3 Prozent gesunken ist. Insgesamt 50 Menschen sind im vergangenen Jahr auf Berlins Straßen tödlich verunglückt, fast 40 Prozent davon Senior*innen. Die häufigste Ursache: ungenügender Sicherheitsabstand. »Das heißt, wir fahren zu schnell. Im Verkehr herrscht oft das Recht des Stärkeren, und durch mangelnde Rücksichtnahme werden vor allem die schwächsten Verkehrsteilnehmer gefährdet«, sagt Postel.

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Alte Menschen seien im Verkehr besonders gefährdet, da sie langsamer reagieren, schneller müde werden und schlechter sehen und hören. Außerdem führen sie häufig ältere Autos ohne moderne Assistenzsysteme, da diese erstens teuer und zweitens auch nicht so leicht zu verstehen seien. Bei den vorgestellten Beispielen kam hinzu, dass die Gehwege nicht sicher oder nicht gepflegt waren und Fahrer*innen nicht für freie Sicht gesorgt hatten.

Verpflichtende Rückmeldefahrten

Abhilfe könnten Fahrerassistenzsysteme schaffen. »Wir haben noch viel zu viele Lkw in der Stadt, die nicht über Assistenzsysteme verfügen, und ich würde sagen, wir sperren die Stadt für Lkw ohne Assistenzsysteme«, fordert Volker Postel. Außerdem kritisiert er, dass es 2020 einen Rückgang der Verkehrskontrollen gegeben habe: »Regeln, die nicht überwacht werden, sind meist nutzlos.«

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Senior*innen das Autofahren zu verbieten, hält er für den falschen Weg. Stattdessen solle es für Menschen über 75 Jahre verpflichtende regelmäßige Rückmeldefahrten geben, in denen sie über die Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit aufgeklärt werden. Die Dekra, der TÜV sowie Fahrschulen bieten solche Fahrten bereits an, »aber wir erreichen damit nicht die richtigen Leute, sondern eher sehr aktive Verkehrsteilnehmer, die die geringsten Probleme haben. Deshalb muss die Teilnahme verpflichtend werden«, fordert Postel.

Sichere Radwege und Straßenübergänge

Auch bei der Benutzung von E-Bikes sollten ältere Menschen intensiv beraten werden. Da immer mehr Menschen über 65 auf zwei Rädern unterwegs seien, müssten darüber hinaus Radwege ausgebaut und gepflegt werden. In Berlin seien sie häufig zu schmal und nicht ausreichend von Fahrbahn und Gehweg abgegrenzt. Für ältere Fußgänger*innen seien sichere und barrierefreie Straßenquerungen, am besten durch Ampeln, Zebrastreifen, Mittelinseln oder vorgezogene Fahrbahnränder, unverzichtbar. Für den ländlichen Raum, wo überwiegend ältere Autofahrer*innen tödlich verunglücken, müsse an Mobilitätskonzepten ohne eigenes Fahrzeug gearbeitet werden.

Eine weitere Forderung der Dekra betrifft sicherheitsrelevante Funktionen in Fahrzeugen. Diese sollten im Sinne einer möglichst intuitiven Bedienung vereinheitlicht werden. Auch dieses Jahr lautet das Fazit des Verkehrssicherheitsreports, dass alle deutlich mehr Rücksicht nehmen müssen als bisher.

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