- Berlin
- Arbeitsplätze für Geflüchtete
Tore auf für Beschäftigung
Der Verein Türöffner hat in fünf Jahren viele geflüchtete Menschen erfolgreich in Jobs vermittelt
Im Hintergrund klappern die Stollen auf Asphalt: beim 1. FC Union Berlin ist am Mittwochmittag gerade eine Trainingseinheit zu Ende gegangen. Nicht jeder der vorbeilaufenden Spieler wird wissen, dass es in der vor dem Stadion an der Alten Försterei stattfindenden Diskussionsrunde, die sie passieren, auch um Arbeit geht - allerdings keine, die unmittelbar mit Profifußball zu tun hat.
Hier sind zwar sehr wohl Menschen zusammengekommen, die dem Berliner Fußballclub nahe stehen, aber sie haben auch ein anderes gemeinsames Anliegen: ihnen ist es wichtig, dass Menschen mit Fluchtgeschichte in Berlin eine Chance bekommen, zu arbeiten. Und zwar unabhängig davon, ob sie dafür bereits die in der Regel komplizierten und aufwendigen Anerkennungsverfahren durchlaufen haben. Neben dem 1. FC Union selbst sind auch die Unternehmen Ahlberg Metalltechnik und die Eventmarketingfirma Rentforevent dabei.
Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) vertritt ebenfalls die Idee, dass Menschen über Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie die damit verbundenen Kontakte besser integriert und unabhängiger werden können. Auf einer der Stationen ihrer seit einigen Tagen laufenden »Sommertour« besucht die Senatorin daher am Mittwoch den Verein Türöffner, der seinen Sitz an der Alten Försterei hat.
Der gemeinnützige Verein hat seit seiner Gründung im April 2016 mit Unterstützung des 1. FC Union Berlin ein Jobnetzwerk aufgebaut, das aus rund 120 Unternehmen besteht.
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»Angefangen haben wir nach einer Einladung in ein Containerdorf«, berichtet Grit Driewer, Geschäftsstellenleiterin von Türöffner dem »nd«. Mit zunächst 40 Unternehmen aus dem Vereinsumfeld habe man damals begonnen, Menschen zu vermitteln, die dringend auf der Suche nach einer Möglichkeit waren, eine Ausbildung zu absolvieren. »Die jungen Menschen, für die eine Ausbildung die beste Möglichkeit ist, eine hier anerkannte Berufsqualifizierung zu erhalten, sind unsere erste Zielgruppe«, erklärt Driewer. Grundsätzlich seien aber Menschen jeden Alters angesprochen und willkommen. Der Bedarf sei weiterhin sehr hoch: »Durch die Jahre haben viele der Menschen, die sich bei uns melden, Deutschkurse absolviert, das hilft ihnen enorm.«
Auch Tamar Shami erklärt Senatorin Breitenbach seinen beruflichen Werdegang auf Deutsch. Der Anfang 30-jährige Shami ist Jurist und vor anderthalb Jahren vor dem anhaltenden Krieg in Syrien geflohen. Nun arbeitet er als Sprachmittler in einem Projekt des Bildungsträgers Socius in einem Wohnheim in Marzahn. Bei dem in Lichtenberg ansässigen Verein sei es vor allem über Praktika gelungen, geflüchteten Menschen eine Anstellung zu ermöglichen, berichtet Doreen Kühnel von Socius von der erfolgreichen Kooperation mit Türöffner. Sie bedauert die langwierigen Anerkennungsprozedere: »Es dauert fünf Jahre, bis ich die Menschen so bezahlen kann, wie sie arbeiten.«
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Senatorin Breitenbach stimmt ihr zu, es sei absurd, dass jemand eine Steckdose legen und sie auch anschließen könne, aber dies aus Gründen der fehlenden Anerkennung seiner vorhandenen Qualifikation nicht dürfe und daher deutlich weniger verdiene. Aber für Menschen über 30 sei eine Ausbildung auch eine Herausforderung: »In dem Alter wissen viele Menschen, was sie wollen und dann geht es ihnen in der Berufsschule nicht schnell genug.«
»Es gibt Unternehmen, auf die wir zugehen, wenn wir Menschen in Jobs unterbringen wollen und Betriebs- und Firmeninhaber, die sich an uns wenden, weil sie schon wissen, dass es ihnen gezielt darum geht, Geflüchteten eine Chance zu geben«, sagt Grit Driewer. Man wolle konkrete Unterstützung und möglichst wenig bürokratisches Prozedere bieten, wie die Menschen es häufig beim Jobcenter erleben. »Wir schauen gemeinsam: ›Was bringst du in deinem Erfahrungskoffer mit?‹«, so Driewer. Die wöchentliche Beratung durch zwei Honorarkräfte im Übergangswohnheim in der Alfred-Randt-Straße und die Präsenz auf Messen und Jobbörsen hat so zu über 90 Festanstellungen geführt.
Diese können nicht verhindern, dass immer wieder Menschen aus ihren Leben gerissen und abgeschoben werden, berichten die Unternehmer. Kleine Betriebe überlegten sich angesichts dieser wiederkehrenden Erfahrung, ob sie das Engagement für Ausbildung sowie Wohnungssuche und anderweitige Unterstützung noch aufrechterhalten können, bedauert Senatorin Breitenbach.
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