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Hohe Mieten bringen viele in Existenznot
Laut einer Studie verstärken Wohnkosten wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten
Haushalte mit weniger Einkommen wohnen in kleineren Wohnungen, haben kaum Zugang zu modern ausgestatteten Neubauwohnungen und wohnen häufiger zur Miete, als Haushalte mit höherem Einkommen. Das ist das Ergebnis einer neuen von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der Studie zufolge bleibt rund zwei Millionen Menschen in Deutschland nach Zahlung ihrer Mietkosten weniger als das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum zum Leben übrig. Rund 13 Prozent aller Miethaushalte in Großstädten befanden sich zuletzt in einer solchen Lage. Diese Haushalten mit rund 2,1 Millionen Menschen haben also weniger als das im Sozialrecht festgelegte Existenzminimum übrig, nachdem sie Miete und Nebenkosten bezahlt haben. Besonders ausgeprägt sind diese prekären Wohnbedingungen laut der Studie bei Alleinerziehenden, Haushalten mit Migrationshintergrund und bei Mieterinnen und Mietern mit niedrigen Bildungsabschlüssen.
Die Großstadthaushalte mit Akademikern haben im Schnitt eine Wohnfläche von 82 Quadratmetern, Haushalte mit Berufsausbildung 69 Quadratmeter und diejenigen ohne einen Berufsabschluss lediglich 60 Quadratmeter. Zudem tragen vor allem Haushalte mit einem niedrigen Einkommen eine hohe Mietbelastung. So kommt es, dass die Wohnkosten das Auseinanderdriften der Einkommen in den Großstädten befeuert. Ärmere Haushalte müssen einen weit überdurchschnittlichen Anteil ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden, obwohl sie auf deutlich weniger Wohnraum in schlechter ausgestatteten Wohnungen leben. Besonders betroffen davon sind Alleinerziehende, rund ein Viertel von ihnen bleibt nach Abzug der Wohnkosten weniger als der aktuelle Hartz-IV-Satz zum Leben übrig.
Mieterhaushalte der höchsten Einkommensklasse haben vor Abzug von Warmmiete und Nebenkosten im Schnitt 4,4-mal so viel monatliches Nettoeinkommen wie die Haushalte der niedrigsten Klasse. Nach Zahlung der Bruttowarmmiete steigt dieser Faktor auf das 6,7-fache.
Zudem haben Mieterinnen und Mieter mit niedrigen Haushaltseinkommen von maximal 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Großstadthaushalte im Schnitt 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Person zur Verfügung, Mieterhaushalte mit hohen Einkommen hingegen auf 51 Quadratmeter. Besonders wenig Platz pro Person haben Paare mit Kindern, im Schnitt lediglich 27 Quadratmeter. Es folgen Alleinerziehende (33 Quadratmeter), Paare ohne Kinder (40 Quadratmeter) und Alleinstehende (56 Quadratmeter). Hinzu kommt, dass Alleinlebende und Alleinerziehende mit gut 34 Prozent ihres Nettoeinkommen die höchsten Mietbelastungsquoten tragen müssen. Ebenfalls besonders schlecht gestellt sind auch die etwa 2,6 Millionen Mieterhaushalte mit Migrationshintergrund. Diese haben demnach einen deutlich geringeren Wohnflächenverbrauch, im Schnitt 16 Quadratmeter pro Person weniger, als Haushalte ohne Migrationshintergrund.
Trotz der kleineren Wohnungen zahlen die Haushalte mit Migrationshintergrund höhere Mieten und müssen mit einer mittleren Mietbelastung von 30,6 Prozent einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Wohnkosten ausgeben als Haushalte ohne Migrationshintergrund, deren Mietkostenbelastung bei 29,4 Prozent liegt. »Die Wohnverhältnisse sind nicht nur Ausdruck, sondern selbst Faktor der sozialen Ungleichheit in unseren Städten«, so die Forscherinnen und Forscher der Studie. Ein weiteres Ungleichgewicht zwischen Haushalten mit niedrigen und hohen Einkommen spiegelt sich laut der Studie in der Art der Wohnungen wider. Diejenigen mit niedrigen Einkommen wohnen viel häufiger in Gebäuden, die zwischen 1919 und 1978 errichtet worden sind. In Neubauten, die seit der Jahrtausendwende gebaut wurden, sind vor allem ärmere Haushalte deutlich unterrepräsentiert. Laut dem Forscherteam verdeutlichen diese Ergebnisse, den Rückzug des sozialen Wohnungsbaus in den letzten Jahrzehnten.
»Für die große Mehrzahl der Bevölkerung werden die Wohnverhältnisse nicht von den Neubauaktivitäten, sondern vom Umgang mit dem Wohnungsbestand und den Mietpreisregulierungen in diesen Wohnungen bestimmt«, erklärt das Forscherteam. Um die größten Wohnungsprobleme in den deutschen Großstädten zu entspannen, wäre nach ihrer Analyse ein deutlich größeres Angebot an Wohnungen mit einer Bruttowarmmiete von maximal neun Euro pro Quadratmeter nötig. Insbesondere kleine Wohnungen für Singles würden benötigt.
Aktuell bräuchten laut der Studie 1,4 Millionen Großstadthaushalte eine Wohnung dieser Mietpreisklasse, um eine ihrem Einkommen angemessene Bleibe zu haben, tatsächlich wohnen sie teurer. »Die ohnehin schon bestehende Einkommenspolarisierung wird durch die Mietzahlung verstärkt. Wohnen kann arm machen«, resümieren die Forscherinnen und Forscher.
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