Auch in Dresden wächst die soziale Kluft

Sachsen Linke in der Landeshauptstadt erfragt Armuts- und Reichtumszahlen und will gegensteuern

  • Michael Bartsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Von der Linksfraktion im Dresdner Stadtrat erfragte Zahlen belegen, dass die soziale Spaltung während der Corona-Pandemie tatsächlich zugenommen hat. Laut Kommunaler Bürgerumfrage 2018 lebten in der als Boomtown geltenden sächsischen Landeshauptstadt etwa 68 700 Personen in armutsgefährdeten Haushalten. Das sind 13 Prozent der Einwohner. Eine gleiche Anfrage vom Juli dieses Jahres ergab für 2020 eine Erhöhung um rund 10 000 verarmte Bürger. Parallel stieg die Anzahl der als einkommensreich geltenden Einwohner um 2600 auf etwa 30 500.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stellte seinen Antworten jeweils die Bemerkung voran, dass er nicht verpflichtet sei, einen allgemeinen Überblick zu verschaffen. Er antworte trotzdem, weil ihn diese Frage auch interessiere. Die Linke-Stadtratsfraktion stellte die Ergebnisse am Mittwoch gemeinsam mit ihrer ehemaligen Bundesvorsitzenden Katja Kipping und dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, vor. Die Bundestagsabgeordnete Kipping ist im Vorwahlkampf häufiger auf Veranstaltungen in ihrer Heimatstadt Dresden zu Gast und nahm am vergangenen Sonntag auch am Elbeschwimmen teil.

»Es herrscht erkennbar Handlungsbedarf«, erklärte der Fraktionsvorsitzende André Schollbach. Mit eigenen Anträgen will die Linksfraktion die »bedenkliche Entwicklung« von Einkommen und Vermögen zumindest mildern und korrigieren. So hält sie die Leistungen an bedürftige Familien aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der schwarz-roten Bundesregierung in Höhe von 15 Euro monatlich pro Kind für völlig unzureichend. Das Ziel einer verbesserten Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben werde so nicht erreicht, auch wenn nur etwa ein Drittel der Anspruchsberechtigten das Geld überhaupt beantragten. Das liege an Desinformation, bürokratischem Aufwand und Folgekosten etwa bei der Mitgliedschaft in Sportvereinen oder der musikalischen Ausbildung.

Hohe Mieten bringen viele in Existenznot
Laut einer Studie verstärken Wohnkosten wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten

Die Dresdner Linkspartei will deshalb eine bessere Information der Leistungsberechtigten auch durch die Jobcenter. Die Jahresunterstützung für Kinder soll von derzeit 180 Euro auf 300 Euro steigen. Schollbach räumte ein, dass dies nur ein erster Schritt sei und eine Stadt allein »die Kapitalismusfolgen nicht beseitigen kann«. Auch Katja Kipping verwies auf allgemeinere Ursachen in der Sozial-, Bildungs- und Steuerpolitik und auf den jahrelangen Kampf der Linkspartei für eine Kindergrundsicherung. Vorläufig hätten es die Kommunen in der Hand, das Bildungspaket besser zu nutzen. Dresden könne dabei eine Vorreiterrolle spielen.

Was passiert mit Hartz IV?
Bürgergeld, Garantiesicherung, Mindestsicherung – für das Arbeitslosengeld gibt es einige Pläne

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband holte noch weiter aus. »Die Hauptursache liegt in der Verteilungsfrage«, erklärte er. Seit dem Jahr 2006 steige die Armutsquote kontinuierlich und habe 2020 wahrscheinlich 16 Prozent im Bundesdurchschnitt erreicht. Eine Anhebung des Hartz-IV-Grundsicherungssatzes auf etwa 640 Euro würde zwar 24 Milliarden Euro kosten, die Armut unterhalb der 60-Prozent-Durchschnittseinkommensgrenze aber nahezu beseitigen. »Wir hätten es in der Hand, die Armut abzuschaffen«, sagte Schneider. Auf Ursachen der verschärften sozialen Spaltung durch die Coronakrise ging er allerdings nicht ein. Sie waren auch von den Politikern der Linkspartei nicht ausdrücklich erfragt worden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.